Todtsteltzers Ehre
Hatte ihnen
versprechen wollen, daß jetzt, wo er wieder daheim war, alles
anders werden würde. Er würde für ihre Sicherheit sorgen, sie
beschützen, jedes Ungemach von ihnen wenden. Niemand
würde ihnen je wieder weh tun, nur weil er sich gerade andernorts als Held der Rebellion herumtrieb. Er hatte so viel sagen
wollen und müssen. Er hatte nicht glauben wollen, daß sein
ganzes Volk tot war.
»Was ist los?« erkundigte sich Hazel. »Gibt es ein Problem?«
»Nein«, sagte Owen. »Ich habe nur nachgedacht. Darüber,
wie es früher hier ausgesehen hat.«
»Tu das nicht«, sagte Hazel. »Das war schon immer dein
Problem, Todtsteltzer. Daß du in der Vergangenheit lebst.«
»Ich kenne mich aus mit der Vergangenheit«, versetzte
Owen. »Damals ging es einfacher zu. Ich kannte meine Welt
und mein Imperium und meinen Platz darin. Oder glaubte es zu
tun. Inzwischen habe ich erlebt, wie alles zerstört wurde, woran
ich je glaubte, habe alles verloren, woraus ich mir je etwas
machte. Und jetzt stelle ich fest, daß mir die Heimkehr versagt
bleibt. Weil Valentin Wolf alles niedergebrannt und auf die
Asche gepinkelt hat. Virimonde ist tot.«
»Das wissen wir erst sicher, wenn wir gelandet sind und
selbst nachgeschaut haben«, sagte Hazel. »Berichte können
übertrieben ausfallen; Sensoren kann man falsch deuten. Es ist
ein großer Planet, Owen. Valentin kann nicht jeden umgebracht
haben.«
»Und falls doch? Falls er alles getan hat, was ihm nachgesagt
wird?«
»Dann schneiden wir ihm das schwarze Herz heraus, werfen
es auf den Boden und trampeln darauf herum. Und das gleiche
tun wir mit allen, die ihm geholfen haben.«
Owen mußte leise lächeln. »Das Leben war für Euch immer
so einfach, nicht wahr, Hazel? Die Guten und die Bösen und
eine direkte, kraftvolle Lösung für jedes Problem. Aber Ihr
habt ja den Mann bei der Einsatzbesprechung gehört. Immer
noch gibt es Mächtige, die wollen, daß Valentin für einen
Schauprozeß lebend zurückgebracht wird. Wenn auch nur, um
für ein kleines Vermögen die Holorechte zu verhökern.«
»Ich halte mich über alles auf dem laufenden«, entgegnete
Hazel. »Und ich wette, daß ich für jede Gruppierung, die den
Wolf lebend haben möchte, zehn andere nennen kann, die ihn
viel lieber von Fliegen umschwärmt heimkehren sehen würden.
Nicht zuletzt die Klon- und Esper-Bewegungen. Sollte je
durchsickern, daß Valentin Wolf einmal aktiver Mitarbeiter
und Förderer der Untergrundbewegungen gewesen ist, verlieren sie auch noch das wenige, was sie an öffentlicher Unterstützung und Popularität genießen. Und um dem Faß die Krone
aufzusetzen, findet man jede Menge Leute, die früher zweifelhafte Geschäfte mit ihm getätigt haben und nicht möchten, daß
das jetzt herauskommt, wo sie sich als treuherzige Förderer der
Rebellion neu herausgeputzt haben.«
»Und genau deshalb werden wir den Mistkerl lebend zurückbringen«, sagte Owen in entschiedenem Ton. »Nicht unbedingt
in einem Stück, aber definitiv lebendig. Ich bin niemandes Marionette, auch nicht die irgendeiner Organisation. Ich muß deutlich machen, daß mich niemand unter Druck setzen kann. Und
ich werde ihn nicht einfach nur deshalb umbringen, weil ich es
möchte.«
»Du und dein verdammtes Gewissen«, sagte Hazel. »In Ordnung, wir versuchen also, ihn lebend festzunehmen. Was ist
mit seinen Gefolgsleuten?«
»Meinetwegen massakriert ruhig den ganzen Haufen.«
»Das läßt sich schon eher hören!« meinte Hazel.
Owen lehnte sich zurück, verschränkte die Hände und starrte
nachdenklich darauf. »Er war nicht immer ein Monster, wißt
Ihr? Valentin. Als Kinder haben wir uns gekannt, in denselben
Kreisen verkehrt, dieselben Parties besucht. Er kam mir damals
… ganz normal vor. Nichts Ungewöhnliches. Keine Spur von
dem Psychopathen, zu dem er mal werden sollte. Nur ein Junge
wie alle anderen, vielleicht ein bißchen ruhiger als die meisten.
Mir sehr ähnlich. Wir waren nie richtige Freunde, aber ich
kann mich an schöne Zeiten erinnern, die wir gemeinsam verlebten. Dann sind wir unterschiedlicher Wege gegangen, um
als Wolf und als Todtsteltzer ausgebildet zu werden, und ich
habe ihn jahrelang nicht wiedergesehen. Und manchmal ertappe ich mich bei der Frage, wie zwei einander so ähnliche Kinder zu so verschiedenen Erwachsenen werden konnten.«
»Leute verändern sich nun mal«, gab Hazel zu bedenken.
»Ob sie es wollen oder nicht. Das Leben schreibt unseren Text,
und wir erhalten nur hin und wieder Gelegenheit,
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