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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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eßbar, wenn man mich zwölf Stunden kochte und dann schmoren ließe. Fast wunderte es mich, daß sie mir nicht den Mund aufmachte und meine Zähne begutachtete.
    »Aha«, sagte sie. »Du sprechen Italienisch?«
    Ich bildete es mir jedenfalls ein. Immerhin hatte ich vier Sätze auf italienisch zu ihr gesagt. »Ja«, antwortete ich also.
    Sie legte den Kopf schief: »Wo haben du aufgesammelt diese ordinäre italienische Akzent?«
    Ich sagte, noch immer in der Sprache, die ich so fließend zu sprechen glaubte: »In Florenz. Mein Onkel hat da ein Bordell, klein, aber von bestem Ruf. Vielleicht hast du von ihm gehört? Sein Name ist Signor Atkinson.« Ich habe mich immer daran gehalten, wenn man Beleidigungen austauschen will, soll man sie austauschen. Nur nicht damit hinter dem Berg halten!
    Offensichtlich war ich zu fein gewesen. Sie sagte: »Dies sein nicht Akzent von Florenz, dies sein einfach ordinäre Akzent. Ich bin aus Rom. Ich bin Alma di Lucca.«
    »Doch nicht Countess Alma di Lucca, zufällig?« platzte Donna heraus in kühlem, abgefeintem Ton.
    Alma erstarrte. Dieser kleine Pfeil hatte ins Schwarze getroffen. Sie würdigte Donna keines Blickes, keines Wortes. Nanu! dachte ich. Da haben wir’s! Wir befinden uns im Kriegszustand. Jetzt schon. Innerhalb einer Minute. Das kann ja interessant werden.
    Nach einer Weile kam der unwirsche, kleine Mann wieder. »Tut mir leid, Sie so warten zu lassen, meine Damen«, sagte er, »aber es ging nicht anders.« Er überflog mit gerunzelter Stirn ein paar lose Blätter, die mit einer Büroklammer zusammengehalten wurden und die das Kennzeichen seines Postens zu sein schienen. »Na, wollen mal sehen. Wie viele sind Sie?«
    »Wir sind fünf«, sagte Alma. »Jeder Mensch könnte uns zählen. Fünf.«
    »Erwarten Sie noch jemanden?«
    »Wir nichts erwarten«, sagte Alma. »Es ist Ihre Sache, zu erwarten. Wir werden jetzt in das Flugzeug steigen und fliegen, wohin fliegen wir wollen?«
    Mir gefiel die Art, wie sie die Dinge klarstellte, aber der Mann hörte sie offensichtlich nicht. Er machte mit seinem Bleistift ein paar Haken auf einen seiner Zettel und runzelte die Brauen. Der arme Kleine. Ihm rauchte wohl der Kopf. Hier waren wir, drei rundum charmante Mädchen, dazu ein hinreißendes Traumschiff aus Italien und ich; und er behandelte uns, als wären wir ebenso viele Ballen Baumwolle voller Maden. Und zum erstenmal wurde mir klar, welche Anforderungen dieser Beruf an seine Untergebenen stellt.
    Schließlich sagte er: »Okay. Sie können an Bord gehen. Die Stewardeß wird sich um Sie kümmern. Gehen Sie zur Laderampe achtern.«
    »Wo ist denn achtern?« fragte Annette.
    »Hinten«, sagte er niedergeschlagen. »Mein Gott, wissen Sie denn nicht, wo achtern ist?«
    »Wenn sie wissen, sie nicht fragen«, sagte Alma. »Sie, bitte, sein sehr höflich, Sir, oder ich Sie melden bei Mr. Benjamin.«
    Das schien ihn einzuschüchtern; und während wir durch den Ausgang zwölf gingen, fragte ich: »He du! Wer ist Mr. Benjamin?«
    »Sehr nützliche Person«, sagte sie. »Großer Direktor. Sehr wichtig.« Dann lächelte sie. »Aber nur Gespenst. Ich ihn erfunden habe, in der Einbildung. Macht viel Angst, jedermann, sehr viel. Ich sage Mr. Benjamin zu ihnen, sie hüpfen.«
    Junge, Junge. Darauf wäre ich nie gekommen. Das war wirklich eine Erfindung! Sie sollte sie sich patentieren lassen. Wir alle brauchten einen Mr. Benjamin im Hintergrund, der einem die rauhen Wege des Lebens ebnet.
    Ich geriet völlig aus dem Häuschen, als wir auf die große Boeing zuschritten. Sie sah so majestätisch aus, so geduldig, wie sie da stand und auf uns wartete, die Schwingen nach hinten geschwungen, die Motoren vorwärtsgereckt, der Rumpf groß und scharf vor dem kalten Himmel. Ich liebe Flugzeuge, und ich werde sie immer lieben, und wenn ich einem nahe komme, werden mir die Knie weich.
    Mary Ruth Jurgens und Annette gingen als erste die Rampe hinauf; dann Alma; dann Donna und ich. Dort oben prüfte ein anderer verhärmter, kleiner Mann im Regenmantel unsere Flugscheine und ließ uns stumm an sich vorbei. Eine Stewardeß wartete an der Kabinentür, und bei dem bloßen Anblick von ihr war mir auf einmal zumute, als käme ich geradewegs aus der Kasba. Es war ein vernichtender und demütigender Augenblick. Ich war bis jetzt höchst zufrieden mit mir gewesen, unwillkürlich gehoben durch die Tatsache, daß diese beiden Mariner mich angesprochen hatten. Hier jedoch war der lebendige Beweis dafür, daß ich,

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