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Toechter Der Suende

Toechter Der Suende

Titel: Toechter Der Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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glauben, und der Waffenknecht, der den Ringkampf verloren hatte, forderte, jemand solle die Binde um Jossis Augen noch einmal überprüfen. »Ich glaube nicht, dass der Gaukler seine Messer blind so werfen kann«, setzte er hinzu.
    »Tu es!«, forderte der Prinzipal ihn freundlich auf und wartete, bis der Mann und auch die Köchin herankamen, um nachzusehen. Als dies geschehen war, wandten sich beide fassungslos an die übrigen Zuschauer.
    »Da muss Zauberei im Spiel sein! Denn er kann gewiss nichts sehen!«
    »Nicht Zauberei, sondern Kunst«, widersprach Jossi und forderte seine Töchter auf, ihn wieder an seinen Platz zu führen.
    »Ich übernehme das!«, bot die Köchin an, doch der Gaukler schüttelte den Kopf.
    »Nein, das muss eine reine Jungfrau tun!«
    Die beiden Mädchen kamen zu ihm und brachten ihn lachend wieder zu der Stelle, an der er das letzte Messer werfen sollte. Jossi nahm es in die rechte Hand, hob es über den Kopf, schleuderte es aber noch nicht.
    »Sagt der Jungfer, sie soll ein wenig in die Knie gehen, so etwa eine doppelte Handbreit«, forderte er seine Töchter auf. Diese gehorchten und drückten Hildegard ein Stück tiefer. Dann tänzelten sie Kusshände werfend beiseite und begannen zu zählen. »Eins, zwei, drei!«
    Bei drei warf Jossi das Messer. Alle starrten zum Tor und schrien auf, denn die Klinge schien sich in Hildegards Stirn zu bohren. Diese machte sich instinktiv noch ein wenig kleiner, hörte, wie das Messer ins Holz eindrang, und ging sofort wieder ein Stück hoch, bis ihr Scheitel den Messergriff berührte.
    »Na, was sagt ihr jetzt?«, fragte Jossi lachend, während er die Augenbinde abstreifte.
    Die Burgleute starrten ihn fassungslos an, und die Köchin brachte es auf den Punkt: »So etwas habe ich noch nie gesehen!«
    »Ich auch nicht«, stöhnte Hildegard und schlich mit hängendem Kopf zu ihrer Stiefmutter.
    Marie widerstand dem Wunsch, ihr wegen des erlittenen Schreckens ein paar Ohrfeigen zu versetzen, und wies auf das Tor. »Wir sollten verschwinden!«
    »Es ist gleich so weit«, raunte ihr eine von Jossis Töchtern ins Ohr. Dann verbeugten sie und ihre Schwester sich vor den Zuschauern, hoben einen großen leeren Korb auf und traten auf die Burgleute zu.
    Die junge Akrobatin folgte ihnen mit einem Spreizschritt in der Luft. »Wenn es euch gefallen hat, dann gebt, was ihr für richtig erachtet! Wenn nicht, so tragt es uns nicht nach!«
    »Es hat uns gefallen!«, rief die Köchin und schickte rasch einige Mägde in die Vorratskammer, um Würste und Schinken zu holen. Wer Geld hatte, warf eine oder mehrere Münzen in den Korb, der Rest brachte jene Dinge, die er geben konnte, wie ein Stück Tuch, ein Messer oder einen aus Holz geschnitzten Becher.
    Die Mädchen nahmen alles mit Dank entgegen und winkten dann. »Jetzt verzeiht, wenn wir euch verlassen. Der Tag ist noch nicht vergangen, und wir wollen unsere Künste noch heute Abend im nächsten Dorf zeigen.«
    »Reist mit Gott!«, wünschte ihnen die Köchin, dann drehte sie sich um und kehrte in die Küche zurück. Auch die anderen Knechte und Mägde verließen den Hof, um an ihre Arbeit zu gehen. Nur die Waffenknechte blieben zurück und sahen der Gruppe nach, die rasch aufbrach und bald hinter dem nächsten Hügel verschwunden war.
    »Das wäre ein Leben! Man kommt in der Welt herum, sieht jeden Tag etwas Neues und ist so frei wie ein Vogel in der Luft«, seufzte einer.
    »Und genauso hungrig wie einer, der nichts zu fressen findet. Nein, mit dem Gesindel würde ich nicht tauschen wollen!« Für den Verlierer des Ringkampfs war die Sache damit erledigt, und er hielt nach dem Kastellan Ausschau.
    »Wo ist eigentlich Bertschmann? Den habe ich schon länger nicht gesehen!«
    Da steckte einer der Knechte den Kopf oben aus einer Luke heraus und lachte. »Euer Kastellan liegt auf seinem Strohsack und schläft. Immerhin hat er mehrere Krüge Wein geleert und dazu noch vier Weiber besprungen. Da braucht selbst der stärkste Stier eine Pause.«
    Die Waffenknechte lachten nun ebenfalls und gingen ihrer Wege. Nach Reckendorf fragte keiner, da dieser sich oft stundenlang in seinen Gemächern aufhielt. Dieser Umstand kam Marie und ihren Begleitern zugute, denn er gewährte ihnen jenen Vorsprung, den sie erhofft hatten.

16.
    A ls eine Magd am Abend das Essen für Hildegard in die Gemächer des Herrn brachte, war von Reckendorf nirgends etwas zu sehen, aber der halbvolle Weinbecher deutete darauf hin, dass er sich bei seiner

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