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Toechter Der Suende

Toechter Der Suende

Titel: Toechter Der Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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alle Frauen und Mädchen der Burg wichen erschrocken zurück.
    »Mit verbundenen Augen sagt er? Aber dann sieht er ja nichts!«, rief die Köchin aus.
    »Du solltest es ohnehin nicht versuchen, denn du bist keine Jungfrau mehr«, spottete einer der Knechte und erntete dafür einen Blick, der ihm für die nächsten Tage ungenießbaren Fraß versprach.
    »Nun, gibt es keine Jungfrau mehr auf dieser Burg?«, fragte Jossi jetzt.
    »Nicht mehr, seit Bertschmann hier ist«, rief jemand von hinten.
    »Wenn das so ist, muss es eine unserer Jungfrauen übernehmen. Wer stellt sich dorthin?« Jossis Finger wies auf ein Scheunentor auf der anderen Seite des Hofes.
    Eine alte Frau schlurfte hin und entblößte grinsend den zahnlosen Mund. »Hier bin ich!«
    Gelächter klang auf, dann eilte Jossis Frau hin und begann zu schimpfen. »Mach, dass du wegkommst! Hier muss eine schöne Jungfer hin!«
    »So jung und schön bist du auch nicht mehr«, spottete die Alte und machte, dass sie davonkam, denn die Prinzipalin sah so aus, als würde sie ihr umgehend ein paar Ohrfeigen versetzen.
    »Ich warte!«, rief Jossi laut.
    Hildegard, die von ihrer Befreiung wie berauscht war, eilte zum Scheunentor und stellte sich davor. »Ist es so recht?«, fragte sie.
    »Ist sie verrückt geworden?«, zischte Trudi und wollte die Schwester wegholen.
    Doch Marie hielt sie auf. »Lass das! Es würde nur Aufsehen erregen. Außerdem vertraue ich Jossi. Ich habe seinen Vater und seinen älteren Bruder Messer werfen sehen. Er wird kaum schlechter sein.«
    Hoffentlich, setzte sie in Gedanken hinzu.
    Unterdessen hatten Jossis Töchter Hildegard so hingestellt, wie ihr Vater es haben wollte. »Bewege dich nicht, was auch geschieht«, flüsterte eines der Mädchen ihr noch ins Ohr, dann traten sie zurück.
    Jossi hob nun ein dunkles Tuch hoch und drehte sich zu den Zuschauern um. »Einer von euch muss mir jetzt die Augen verbinden, sonst heißt es, ich hätte geschummelt!«
    Die Köchin setzte sich in Bewegung. »Ich mache es, aber gründlich. Willst du wirklich auf dieses Mädchen zielen?«
    »Ich glaube kaum, dass ich mit verbundenen Augen viel zielen kann!« Jossi ging auf sie zu und stellte sich so hin, dass sie ihm bequem die Augen verbinden konnte. Sie prüfte mehrfach, ob er wirklich nichts mehr sehen konnte, und trat mit zweifelnder Miene zurück. Auch das übrige Burggesinde sah so aus, als würde es am liebsten auf diese Darbietung verzichten.
    »Jetzt muss mich jemand zu der Stelle bringen, von der aus ich werfen soll«, klang Jossis Stimme auf.
    Sofort waren seine Töchter bei ihm und führten ihn auf das Scheunentor zu. Eine hatte bereits die entsprechende Entfernung abgeschritten und an der richtigen Stelle mit dem Fuß ein Zeichen in den Boden gescharrt. Nun stellten sie ihren Vater dorthin, drehten ihn noch ein wenig nach links und traten zurück. Die junge Akrobatin, der es eben erst gelungen war, Bertschmann loszuwerden, reichte ihm die sechs Wurfmesser und wies die Zuschauer an, vollkommen still zu sein.
    Man hörte nur noch den Wind und Hildegards gepressten Atem. Ihr schwante nun, worauf sie sich eingelassen hatte, und sie starrte entsetzt auf den Gaukler mit seiner Augenbinde, die das halbe Gesicht verdeckte. Sie wollte nicht Reckendorf entkommen sein, um hier durch eigenen Übermut verletzt zu werden oder gar zu sterben.
    Die Spannung stieg, als Jossi das erste Messer hob, kurz wartete und es dann warf. Mit einem trockenen Laut schlug es nur eine Handbreit links neben Hildegards Taille ins Holz. Alle atmeten auf, und Hildegard begann zu hoffen, diese Angelegenheit unbeschadet zu überstehen.
    Das zweite Messer bohrte sich zwischen ihren Beinen in den Saum ihres Kleides. Dann traf die nächste Klinge nur daumenbreit neben ihrer rechten Seite das Holz.
    Jossi machte eine kurze Pause, und seine Frau erklärte, dass die nächsten drei Würfe die gefährlichsten seien, da sie Stellen neben und über dem Kopf treffen sollten.
    Nun schwitzte Hildegard Blut und Wasser, und sie schloss die Augen, um die Würfe nicht mit ansehen zu müssen. Ein trockener Laut und das Vibrieren des Holzes, gegen das sie ihren Kopf presste, zeigten ihr, dass die Klinge tatsächlich knapp neben ihr eingeschlagen hatte. Beim nächsten Messer spürte sie den Luftzug und glaubte im ersten Augenblick, es hätte ihr Ohr getroffen. Doch es war nur eine Haarsträhne, die sich aus ihrem Kopftuch hervorgestohlen hatte und nun zu Boden segelte.
    Die Zuschauer konnten es nicht

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