Toechter Der Suende
schwang mit Wucht nach innen und verfehlte Reckendorf, der sich hastig aus der Gefahrenzone gerollt hatte, nur um Haaresbreite. Dafür aber stolperten die drei Waffenknechte vom eigenen Schwung getragen in die Kammer.
Als sie ihren Herrn gefesselt und geknebelt am Boden liegen sahen, ließen sie vor Schreck die Bank fallen. Bertschmann, der ihnen gefolgt war, stieß einen Knurrlaut aus, beugte sich kopfschüttelnd über den Ritter und zog ihm das Tuch aus dem Mund.
Reckendorf spuckte den Lappen aus, den Hildegard ihm zwischen die Zähne gesteckt hatte, und atmete ein paarmal durch, um wieder genug Luft in die Lungen zu bekommen. Anschließend befahl er den Männern, ihn loszubinden, und blickte zu Bertschmann auf. »Die Gaukler! Wo stecken sie?«
»Die sind schon vor etlichen Stunden weitergezogen«, antwortete der Ringer anstelle des Kastellans.
»Sattelt die Pferde! Wir müssen ihnen sofort nachsetzen. Dann wird dieses Pack mir für alles bezahlen!«, rief Reckendorf kochend vor Wut.
»Draußen wird es gleich dunkel«, wandte sein Kastellan gelassen ein. »Wenn wir jetzt losreiten, verfehlen wir das Gesindel womöglich.«
»Ich will nicht warten!«, schrie Reckendorf ihn an.
Bertschmann lachte kurz auf und lehnte sich gegen die Tür. »Jetzt sagt erst einmal, wieso wir Euch gefesselt und geknebelt hier gefunden haben. Das hat doch die Jungfer nicht allein fertiggebracht.«
»Natürlich nicht! Sie hat Hilfe von ihrer Mutter und einer ihrer Schwestern erhalten und natürlich auch von dem dreckigen Gauklerpack. Die haben mich mit ihren Dolchen in Schach gehalten und dann gefesselt. Diesen stinkenden Lappen hier habe ich der Jungfer zu verdanken. So ein elendes Biest! Ich könnte sie erwürgen.« Reckendorf hätte sich am liebsten sofort auf sein Pferd geschwungen und die Verfolgung aufgenommen. Doch nach kurzem Überlegen stimmte er seinem Kastellan zu. »Jetzt noch in die Nacht hineinzureiten ist tatsächlich sinnlos. Wenn wir die Spur dieses Gelichters verlieren, kann es sich überallhin verdrücken, und wir haben das Nachsehen. Daher legt euch nieder, Männer, und schlaft. Morgen bei Tagesanbruch brechen wir auf!«
Bertschmann machte eine Handbewegung, als wolle er die Männer verscheuchen. »Ihr habt es gehört! Verschwindet in eure Unterkunft und lasst die Mägde in Ruhe. Ihr müsst morgen früh frisch sein!«
Als diese den Raum verlassen hatten, wandte er sich wieder an seinen Herrn. »Ihr hättet besser achtgeben müssen, dann wärt Ihr nicht von der Witwe überlistet worden!«
»Dasselbe kann ich auch über dich sagen. Immerhin bist du mein Kastellan und Stellvertreter! Weshalb hast du die Gaukler überhaupt in den Wohnturm gelassen?«
»Ich habe gar nichts!«, blaffte Bertschmann zurück.
Nun wurde auch der Junker laut. »Dann muss die Witwe sich wohl in meine Kammer gehext haben!«
Bertschmann begann zu lachen. »Ein guter Gedanke! Wir sollten dieses Miststück der Hexerei anklagen.«
»Und uns noch mehr blamieren, als es bereits geschehen ist? Ganz Franken wird über uns spotten, weil die Witwe uns ihre Tochter unter der Nase weggeholt hat.«
»Ihr hättet so mit der kleinen Metze verfahren sollen, wie ich es Euch vorgeschlagen habe«, antwortete Bertschmann erbost und kam dann auf einen Punkt zu sprechen, der ihn schon seit Tagen wurmte. »Ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr mich wieder so ansprechen würdet, wie es mir zusteht. Schließlich bin ich ritterlichen Geblüts wie Ihr und zudem bald Euer Schwager!«
»Dafür muss Margarete erst aus Rom zurückkommen.« Reckendorf bedauerte längst das Versprechen, das er seinem Kastellan gegeben hatte. Doch seine Ritterehre verpflichtete ihn, sich daran zu halten. Nun fragte er sich, wie er Bertschmanns Charakter so falsch hatte einschätzen können. Der Mann mochte ein guter Kämpfer sein, und er wusste auch eine Burg zu verwalten, doch von seinem Wesen her war er simpel gestrickt und bar jedes edlen Gefühls.
»Geht jetzt und lasst mich allein!«, sagte er und erfüllte seinem Kastellan damit den Wunsch, ihn wieder wie einen Mann von Stand anzusprechen.
Bertschmann beugte kurz den Nacken und ging davon. Schnaubend trat Reckendorf ans Fenster und starrte in die aufziehende Nacht. Er merkte nicht einmal, wie eine Magd hereinkam und die Lampe mit einem Kienspan anzündete. An diesem Tag hatte er eine Niederlage erlitten, die jene im Zweikampf gegen Falko Adler weit übertraf.
»Flieht nur, Jungfer Hildegard! Ich werde Euch zurückholen, und dann
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