Toechter Der Suende
wissen.
»Möglich ist das, aber dann müsstet Ihr alle so lange warten, bis genügend Schiffe hier beisammen sind, und das kann noch länger dauern«, sagte der Wirt.
Falko wechselte einen kurzen Blick mit Ritter Oskar. Der wiegte unschlüssig den Kopf. Daher fasste Falko einen Entschluss.
»Also gut, wir werden uns trennen. Sorge dafür, dass morgen früh genug Boote bereitliegen. Ritter Oskar, Ihr und Hilbrecht werdet die erste Gruppe begleiten. Eure Gemahlin, deren Magd und Nichte werden mit der Hälfte der Knechte und Reisigen mit Euch kommen, ebenfalls einer der Karren. Wir anderen folgen Euch, sobald es möglich ist.« Am liebsten hätte Falko auch Giso und die beiden Nonnen mitgeschickt, um mit Elisabeth allein zu sein, doch er wusste, dass er mit einem solchen Vorschlag nur einen heftigen Streit ausgelöst und dazu sich und die junge Äbtissin in ein schlechtes Licht gerückt hätte.
11.
A m dritten Tag, den sie in Luzern mit Warten auf die Boote verbrachten, begleitete Falko Elisabeth auf einem Spaziergang durch die Stadt. Zu seinem Leidwesen musste er die Anwesenheit von Schwester Euphemia akzeptieren, die ihm und der Äbtissin wie ein Schatten folgte. Gemeinsam wanderten sie am See entlang und überquerten die lange, überdachte Brücke, die das Zentrum Luzerns mit der Neustadt verband. Dort kehrten sie in einer Schenke ein und labten sich an einigen Bechern Wein.
Während Elisabeth, die vor dieser Reise kaum hinter den Klostermauern hervorgekommen war, sich neugierig umsah, erinnerte Falko sich daran, dass sein Vater angeblich der Sohn eines Weinschenken gewesen sein sollte. Nein, eines Bierschenken, korrigierte er sich. Das war allerdings nichts, was er Elisabeth erzählen wollte. Er wusste ja nicht einmal, ob das wirklich stimmte. Immerhin predigten die Priester, dass Gott jedem Menschen seinen Stand bereits bei seiner Geburt zuweise. Keiner hatte je berichtet, dass der Sohn eines schlichten Schankwirts zum reichsfreien Herrn eines Besitzes wie Kibitzstein aufgestiegen wäre. Wenn dies trotzdem so geschehen war, dann musste sein Vater Michel Adler jemand ganz Besonderer gewesen sein. Möglicherweise war er nicht der leibliche Sohn des Schenken, sondern der eines hohen Herrn. Sonst hätte Gott ihm nicht so viel Gnade zuteilwerden lassen.
Falko musste auch an seine Mutter denken, die Kibitzstein geschickter verwaltete als der beste Mann. Auch um sie waren etliche Gerüchte im Umlauf, und er hatte Bruno von Reckendorfs Herausforderung nicht zuletzt deswegen angenommen, weil dieser verächtlich über Marie Adler gesprochen hatte.
»Ihr seid still geworden, Junker Falko.« Elisabeths Stimme schreckte Falko aus seinem Sinnieren auf.
»Verzeiht, hohe Frau, ich habe über etwas nachgedacht und die Euch gegenüber gebotene Höflichkeit vergessen.«
»Ich finde es besser, wenn Männer denken, bevor sie handeln. Wie viel Leid bliebe uns Frauen dadurch erspart!«
»Nun, ein Mann muss rasch handeln können. Doch er sollte nicht seinen Verstand hintanstehen lassen. Zaudern ist jedoch ebenso von Übel, denn damit überlässt man einem möglichen Feind den ersten Schritt.«
»Aber man kann diesem leichter begegnen, als wenn man als Erster das Schwert zieht«, antwortete Elisabeth.
Ehe die beiden sich’s versahen, waren sie in ein Gespräch über die beste Art verstrickt, wie ein Mann oder eine Frau Entscheidungen treffen sollten.
Giso, der ihnen gefolgt war und an ihrem Tisch Platz genommen hatte, schüttelte verblüfft den Kopf. Die Zuneigung, die die beiden füreinander hegten, war mit Händen zu greifen, und doch gaben sie kein Liebesgeflüster von sich, sondern unterhielten sich so ernsthaft wie Scholaren einer Universität. Er selbst mischte sich nur hie und da in das Gespräch ein, um die beiden nicht zu stören. Dabei wusste er nicht zu sagen, ob er ihre Selbstbeherrschung bewundern sollte oder den Tag fürchten, an dem sie diese verloren. Auf jeden Fall schien es ihm am besten, Falko und die Äbtissin nicht mehr aus den Augen zu lassen. Er mochte den Junker und wollte nicht, dass sein Freund sich wegen einer Frau, die er doch nicht haben konnte, den Zorn des Fürstbischofs von Würzburg zuzog.
»Wann, glaubst du, werden wir endlich über den See fahren können?«, fragte er Falko, um sich wieder in Erinnerung zu bringen.
Dieser sah ihn verwundert an, denn an den bevorstehenden Aufbruch hatte er ganz bestimmt nicht gedacht. »Wenn der Wirt recht hat, werden die Boote heute Abend zurückkehren,
Weitere Kostenlose Bücher