Toechter Der Suende
schlechte Wege oder unbequeme Unterkünfte geklagt, doch nun schien es, als habe der Mut sie verlassen. Sie schlug das Kreuz und senkte den Blick, um die in den Himmel ragenden Gipfel nicht weiter ansehen zu müssen.
Im Gegensatz zu ihr nahm Margarete dieses Bild mit wachen Sinnen auf. Sie bewunderte die Berge, die so mächtig und stark waren, dass die Menschen nur ein wenig an ihnen kratzen konnten, um Stege anzulegen oder nach Erz zu suchen. Doch für dieses kleine Zugeständnis forderte das Gebirge einen hohen Preis. Im Winter lag viele Monate lang Schnee, dazu stürzten immer wieder gewaltige Lawinen zu Tal und verschütteten Mensch und Tier. Doch auch im Sommer starben Menschen unter Felsen, die plötzlich herunterhagelten, oder wurden von bösen Geistern so verwirrt, dass sie fehltraten und in die Tiefe stürzten. Auch gab es gewaltige Unwetter, die Mensch und Tier von schmalen Pfaden in endlose Abgründe fegten.
Margarete überlegte, ob sie Elisabeth ein paar von den schaurigen Geschichten erzählen sollte, die sie über das Gebirge erfahren hatte. Es würde die fromme Äbtissin, die jedes Mal, wenn sie sich unbeobachtet glaubte, Falko Adler mit weit weniger frommen Blicken betrachtete, sicher noch mehr erschrecken.
Da ihre Tante Edelgunde ihr danach gewiss Vorhaltungen machen würde, nahm Margarete Abstand von dieser Idee und folgte Falko zum Stadttor. Dort verhandelte der Junker bereits mit den Wachen, die einen möglichst hohen Betrag an Steuern und Abgaben von den Reisenden kassieren wollten.
Als Elisabeth dies begriff, ritt sie an Margarete vorbei und zügelte ihr Maultier vor den Stadtknechten. »Was soll das? Ich bin die Äbtissin der frommen Frauen von Tre Fontane bei Rom und befinde mich auf dem Weg zu meinem Kloster. Meine Reisegruppe braucht keine Zölle zu zahlen!«
»Das sehen wir anders«, antwortete einer der Männer. »Ihr und Euer Maultier seid frei, ebenso die beiden frommen Damen in ihren Sänften, und meinetwegen auch die Pferde, die diese tragen, und die Knechte am Zügel. Die anderen Herrschaften und Knechte müssen jedoch zahlen wie jedermann, der hier Einlass fordert.«
»Nicht die Herren und die Reisigen, die mir zu meinem Schutz mitgegeben wurden, und auch nicht die Knechte«, wies Elisabeth den Mann zurecht.
Doch sie hatte die schlechteren Karten. Die Wächter konnten sie vor dem Tor stehen lassen, bis dieses geschlossen wurde, und dann mussten sie eine ungemütliche Nacht außerhalb schützender Mauern verbringen.
Schließlich akzeptierte Falko zähneknirschend die Summe, die von ihm gefordert wurde, und zählte sie auf den Angster genau aus. Dann aber erinnerte er sich an die Lehren seiner Mutter und legte noch zwei Rappen hinzu.
Die beiden Torwachen steckten das Geld ein und traten grinsend beiseite. »Wünschen den Herrschaften noch eine gute Reise«, riefen sie und nannten danach die Namen mehrerer Gasthäuser, die für die Beherbergung von höher gestellten Gästen eingerichtet seien.
Oskar von Frammenberg griff jedoch auf seine Reiseerfahrungen zurück, und so fand die Reisegruppe sich kurz darauf in einem alten, gut geführten Gasthof wieder, dessen Besitzer ihnen Hilfe beim Übersetzen nach Flüelen versprach.
»Ihr könntet auch um den See herumreisen, aber das ist ein arger Umweg. Außerdem sind an manchen Stellen schon Wagen und Gespanne ins Wasser gerutscht. Doch mit ein paar Schiffen kommt ihr gut nach Flüelen hinüber und spart Kraft für den Aufstieg ins Reußtal und für die Schöllenenschlucht. Außerdem fordert einem die Passhöhe auch noch so einiges ab«, setzte er in dem Bestreben hinzu, seinem Schwager, der einige Boote sein Eigen nannte, dieses Geschäft zu sichern. Er hätte sich nicht so ins Zeug legen müssen, denn schon der Damen wegen hatte Falko sich für die Fahrt über Vierwaldstätter und Urner See entschieden, zumal auch Ritter Oskar ihm dazu geraten hatte.
»Wie lange wird es dauern, bis wir eine Überfahrtmöglichkeit bekommen?«, fragte er den Wirt.
Dieser zuckte mit den Achseln. »Für eure Karren, Pferde und Ochsen braucht ihr schon ein paar Kähne. Außerdem müsst ihr auch noch selbst in die Boote passen. Am besten ist es, ihr teilt euch auf. Dann kann die erste Gruppe morgen oder spätestens übermorgen abfahren. Vorausgesetzt, das Wetter spielt mit. Bei Sturm und Gewitter ist der See zu gefährlich. Vier Tage später sind die Schiffe zurück und können die zweite Gruppe holen.«
»Geht es nicht mit einem Mal?«, wollte Falko
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