Toechter Der Suende
würde sich um keinen von beiden kümmern.
9.
E tliche Dutzend Meilen weiter im Norden starrte Bruno von Reckendorf blicklos aus dem geöffneten Fenster seiner Kammer, ohne die Stadt zu seinen Füßen und den Main, der unter ihm vorbeifloss, wahrzunehmen. Zum ersten Mal seit jenem unseligen Zweikampf vermochte er wieder ohne Schmerzen auf eigenen Beinen zu stehen. Nun sann er noch einmal über die Pläne nach, die ihm während der vielen Tage, die er hilflos auf seinem Lager verbracht hatte, durch den Kopf gegangen waren. Zwar durfte er sich den Anweisungen des Arztes zufolge noch einige Wochen nicht anstrengen, um keinen Rückfall zu erleiden. Aber er war fest davon überzeugt, völlig gesund zu werden. Daher rief er nach seinem Knappen und befahl ihm, sein Festgewand bereitzulegen.
»Ich werde heute an der Tafel des Fürstbischofs speisen«, erklärte er, als er den fragenden Blick des jungen Mannes auf sich gerichtet sah.
»Ich bin so froh, dass es Euch wieder gutgeht, Herr! Wenn ich daran denke, wie schlimm es zu Beginn ausgesehen hat.« Der Knappe lächelte erleichtert und zog das beste Gewand seines Herrn aus der Truhe.
»Wir können dem Herrn, unserem Gott, und unserem Heiland nicht genug danken«, antwortete Bruno von Reckendorf und schlug rasch das Kreuz, um den himmlischen Kräften seine Verehrung zu bekunden. Dann kehrte er zu seinem Bett zurück und zog das lange Hemd aus, das er bisher getragen hatte.
Seinen Knappen, der ihm zu Hilfe eilen wollte, hielt er mit einer Handbewegung auf Abstand. »Lass mir die Freude, mich wieder wie ein vollwertiger Mensch zu fühlen und nicht wie ein siecher Krüppel, den man hochheben muss, um ihm das Hemd zu wechseln«, sagte er, zog seine Bruche über und befestigte die Beinkleider daran.
»Ist Bertschmann schon zurück?«, fragte er, als er sich angekleidet hatte.
Sein Knappe schüttelte den Kopf. »Bis jetzt noch nicht. Aber wenn es um eine Besorgung geht, kann doch ich die für Euch erledigen.«
»Nein, diese nicht«, murmelte Reckendorf.
Er schloss die Augen und durchlebte noch einmal den beschämenden Augenblick, in dem Falko Adlers Lanze ihn aus dem Sattel gehoben und zu Boden geschleudert hatte. Beinahe glaubte er, denselben Schmerz zu fühlen wie damals, doch das ging rasch vorbei. Aufatmend legte er den Gürtel mit seinem Dolch, dem Essbesteck und seinem Geldbeutel um, fuhr sich mit den Fingern noch einmal durch die Haare und wandte sich wieder an seinen Knappen. »Kann ich mich so am Tisch des Fürstbischofs sehen lassen?«
»Aber natürlich, Herr! Ihr seht prächtig aus. Genau wie vorher«, bestätigte der Knappe.
Aber das stimmte nicht ganz, sagte der junge Mann sich. Die beiden scharfen Falten um Junker Brunos Mund waren vor seinem Kampf gegen den Kibitzsteiner noch nicht da gewesen. Wie es schien, kam sein Herr nicht über seine Niederlage hinweg. Das tat ihm leid, denn er verehrte den Junker und hatte in sämtlichen Kirchen Würzburgs gebetet, damit dieser wieder richtig gesund werde. Dies schien nun der Fall zu sein, doch die Wunde im Stolz seines Herrn würde wohl nicht so rasch heilen.
»Sobald Bertschmann hier ist, schickst du ihn zu mir!« Bruno von Reckendorf machte eine Handbewegung, als wolle er seinen Knappen wie ein lästiges Insekt verscheuchen, und verließ dann seine Kammer. Nun fällt mir auch das Gehen wieder leicht, dachte er erfreut, als er den Korridor entlangschritt. Zu viele Tage hatte er sich nur mit Hilfe eines Stockes fortbewegen und auch nicht lange genug aufrecht sitzen können, um die Mahlzeiten am Tisch des Fürstbischofs einzunehmen. Das war endlich vorbei.
Als Reckendorf den Saal betrat, in dem Gottfried Schenk zu Limpurg mit seinen Vertrauten zu Abend speiste, richteten sich fragende, aber auch erleichterte Blicke auf ihn. Ungeachtet der Tatsache, dass der Fürstbischof an seiner Tafel auf Ruhe bedacht war, sprachen mehrere Herren ihn an.
»Endlich sieht man Euch wieder. Wir haben Euch schon vermisst!«
»Wie steht es um Euch? Ich hoffe doch gut! Wäre zu schade, wenn ein Sturz Euch die Gesundheit gekostet hätte.«
»Ihr seht prächtig aus, Reckendorf! Ich sollte mich auch einmal ein paar Wochen ins Bett legen.«
Lacher begleiteten die letzten Worte. Bruno von Reckendorf verzog jedoch keine Miene, sondern verbeugte sich vor dem Fürstbischof und ließ dessen scharfe Musterung über sich ergehen. Schließlich nickte Gottfried Schenk zu Limpurg zufrieden und reichte ihm die Hand zum Kuss.
»Bis auf eine
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