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Töchter des Schweigens

Töchter des Schweigens

Titel: Töchter des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elia Barceló
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Blumenladen das nannte; wir banden ein Stück Kordel darum und beeilten uns, nach Hause zu kommen, wobei wir das Sträußchen kopfüber hielten, damit die Veilchen unterwegs nicht welk wurden. Unsere Mütter stellten es dann in ein Likörgläschen, das sie aus der Vitrine nahmen, platzierten es auf ihrem Nachttisch und waren sehr stolz auf ihre Töchter. Es war eine Nichtigkeit, aber es machte uns alle glücklich. Ob es bei Margas Landhaus wohl noch Veilchen gibt?

    Sole an Lena:
    Für mich steht Margas Landhaus nur für diese eine Geburtstagsfeier. Ich hatte nicht so viel Kontakt mit ihr, mit dir ja eigentlich auch nicht. Manchmal denke ich, dass ich im Grunde mit keiner von euch eine echte Freundschaft hatte, aber ich fand es gut, zur Clique zu gehören, weil ich mich mit den Mädchen, die, wenn es nach meinen Großeltern gegangen wäre, meine Schulkameradinnen hätten werden sollen, zu Tode langweilte: Enkelinnen ihrer Freunde, die aufs Jesús-y-María-Internat in Alicante gingen und nur jedes dritte Wochenende nach Hause kamen. Zum Glück ließ sich mein Vater von meinen Tränen erweichen, sodass wir uns schließlich auf eine Zwischenlösung einigten: Zunächst sollte ich bis zur Mittleren Reife die Nonnenschule in Elda besuchen, und danach würden wir weitersehen.
    Später konnte ich sie überreden, mich das Abitur auf dem normalen Gymnasium machen zu lassen, obwohl mir mein Großvater diese Vulgarität nie verzieh, und dort bin ich euch begegnet.
    Rückblickend glaube ich, dass es mir dadurch gelungen ist, mich ein wenig von dem zu lösen, was meiner Familie für mich vorschwebte, aber das hielt nicht lange an, nur bis zum Schulabschluss, bis zu jenem Sommer. Danach, obwohl ich fest vorhatte, mit euch allen nach Valencia zu gehen und Philologie zu studieren, floh ich zurück ins Vertraute, Sichere – back to mama , wie sie in Amerika sagen – und landete schließlich in Madrid an der juristischen Fakultät, wo ich Pedro kennenlernte.
    Seither besteht mein Leben, wie du weißt, nur noch darin, ihm zu folgen wie ein Pilotfisch. An seinen Empfängen teilzunehmen, seine Kinder großzuziehen, seine Gäste zu unterhalten. Eine Dame zu sein. Die Frau Gemahlin. Hast du schon mal eine Einladung von einer Botschaft bekommen? Am Anfang fand ich die Formulierung sehr lustig: »Der Herr Botschafter und seine Frau Gemahlin haben die Ehre …«
    Jetzt bin ich die »Frau Gemahlin« und finde die Einladungen gar nicht mehr lustig. Nicht einmal meinen Vornamen haben sie mir gelassen. Du bist die Einzige, die mich noch Sole nennt. Sogar meine Mutter nennt mich Marisol. Es ist lächerlich, mit fünfzig Marisol zu heißen, meinst du nicht auch? Bei dir ist es etwas anderes. Lena ist stärker als Magda; es ist kraftvoller, kosmopolitischer. Außerdem hast du dich selbst dafür entschieden.
    Schreib mir weiterhin, bitte, Lena. Erzähle mir alles, woran ich mich kaum noch erinnere. Gib mir meine Wurzeln zurück.

    »Wo siehst du etwas, dem wir nachgehen könnten?« David schaute Machado verwundert an.
    »Dieses ›bis zum Schulabschluss, bis zu jenem Sommer‹.«
    »Was ist damit?«
    »Ich weiß nicht. Ich bin darüber gestolpert, weil es so klingt, als hätte sich in jenem Sommer etwas Wichtiges ereignet, etwas, das ihr Leben verändert oder sie in ihrer Entwicklung gehemmt hat oder so was …«
    »Wenn du so viele Jahre mit ihnen verbracht hättest wie ich, dann wüsstest du, dass damit der Sommer 1974 gemeint ist, in dem sie die Hochschulreife erlangt haben. Sie haben damals eine Klassenfahrt nach Mallorca gemacht, immerhin eine ganze Woche, und plötzlich begriffen, dass die Welt größer war, als sie angenommen hatten. Eine ganze Woche lang haben sie mit Ausländern geflirtet, sich auf Englisch unterhalten – so gut es eben ging, natürlich – und sich frei und erwachsen gefühlt. Anschließend ging jede ihrer Wege, und für ein paar Jahre verloren sie sich aus den Augen, bis sie, schon gesetzter, eine nach der anderen in den Ort zurückkehrten und sich hier niederließen. Danach, nun ja, Arbeit, Familie …, das Übliche halt. Aber wenn sie von diesem Sommer sprechen, gibt es immer ein Vorher und ein Nachher. Und nicht nur bezogen auf sie selbst, sondern auch auf das Land im Allgemeinen. Man darf nicht vergessen, dass ein knappes Jahr später Franco starb und sich das Spanien, das wir kannten, fast schlagartig in etwas völlig anderes verwandelte. Schau dir die beiden folgenden Briefe an. Rufen sie nicht viele

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