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Töchter des Schweigens

Töchter des Schweigens

Titel: Töchter des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elia Barceló
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noch in Elda, und keine von uns rief sie an, um sich zu erkundigen, wie es ihr ging, um sie aufzumuntern, um ihr Bescheid zu sagen, dass sie nicht in die Bar zu gehen brauchte.
    Jetzt sind wir zum ersten Mal nach so langer Zeit wieder einmal alle zusammen, außer dir. Ana hat uns in ihr Haus zu einem Mädelsessen eingeladen. Ich bin heilfroh, dass es wenigstens kein 28ster ist. Wir werden an dich denken.

    Sole an Lena:
    Ich habe versucht, mich zu entsinnen, wo ich Weihnachten 75 war, wir reden doch von 1975, stimmt’s? 74 war ich allerdings auch schon nicht in der Bar, ich hatte zu große Angst, euch wiederzusehen. Ich nehme an, 74 war keine von uns dort, nicht einmal Carmen, die damals gerade schwanger gewesen sein muss.
    Ich glaube, 75 war ich zu Weihnachten schon in Sevilla, auf dem Gut meiner Schwiegereltern, lernte reiten, beim Stierkampf nicht die Augen zu schließen, mich Marisol zu nennen und Hochzeitspläne zu schmieden, obwohl wir erst ein Jahr zusammen waren.
    1977 habe ich geheiratet, und die Einzige, die zu meiner Hochzeit kam, war Carmen. Mit Manolo. Ich weiß nicht mehr, mit welchen Ausreden die anderen nicht erschienen sind. Vielleicht wissen sie es ja noch und sagen es dir, wenn ihr euch bei Ana trefft.
    Ach, wie gern wäre ich auch dabei! Schick mir ein Foto, ich habe euch seit Urzeiten nicht gesehen und gar keine Vorstellung, wie ihr jetzt ausseht. Ich könnte behaupten, ich sähe noch genauso aus wie früher, aber das wäre gelogen. Ich habe mich für meine einundfünfzig Jahre gut gehalten, aber ich habe Tränensäcke, die ich mit den besten Kosmetikprodukten zu kaschieren versuche; ich habe mir ein Hand-Peeling machen lassen, um die Altersflecken zu entfernen, und auch schon eine Liposuktion und ein Lifting hinter mir (sag’s bitte nicht weiter).
    Mein Problem ist, wie eh und je, dieses Loch, das ich nun schon so lange in meinem Inneren spüre, dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann, wie es war, als es noch nicht da war. Ich habe mehrere Therapien mit den unterschiedlichsten Ansätzen gemacht und muss gestehen, dass es mir nicht viel gebracht hat. Ich war nie besonders stark, das weiß ich schon mein ganzes Leben, und jetzt, als Frau Gemahlin, kann ich mich unbehelligt dem Nichtstun und meiner Schönheitspflege widmen, ohne dass es mir jemand vorhält. Pedro hat eine beeindruckende Karriere gemacht; er behandelt mich gut, wir sehen uns nicht sehr oft. Meine Kinder leben in gesicherten Verhältnissen, ich habe zwei Enkel und eine Enkelin, die ich kaum sehe. Ich mag Kuba, trotz der feuchten Luft. Wenigstens spricht man hier Spanisch. Ehrlich gesagt, hatte ich von Asien die Nase gestrichen voll.
    Verlass mich nicht wieder, Lena, jetzt, da wir uns wiedergefunden haben.

    »Sie hatte Angst, David. Sole schreibt, sie habe nach jenem Sommer monatelang Angst gehabt, ihre alten Freundinnen wiederzusehen. Vielleicht will es nichts heißen, aber da sollten wir mal nachhaken. Wovor sollte eine Achtzehnjährige Angst haben, wenn sie reich und hübsch ist und gerade ihr Abitur geschafft hat? David? Hörst du mir zu?«
    »Entschuldige, ich war mit meinen Gedanken woanders.« Die Erwähnung von Carmen, dieser achtzehnjährigen Carmen, die er sich nicht richtig vorstellen kann, wie sie mit ihrer nur wenige Monate alten Tochter allein in der Kneipe sitzt, gab ihm einen unsagbar schmerzhaften Stich. Als er mit ihr zusammen war, hatte sie ihm von ihrer Schwangerschaft, der überstürzten Heirat mit Manolo und der Scheidung erzählt …, aber in einem so leichten, spaßigen Ton, dass er nie verstanden hatte, was das alles für sie bedeutet haben musste; auf was sie hatte verzichten müssen infolge dieser falschen Entscheidung oder dieses »Fehltritts«, wie es damals hieß.
    »Die letzte Mail ist jedenfalls die rätselhafteste von allen.«
    »Lass mal sehen, gib her.«

    Lena an Sole:
    Nur ein paar Zeilen, meine Liebe.
    Auch wenn ich weiß, dass es dich bekümmern wird, muss ich dir leider sagen, dass ich gerade von Anas Fest komme und am Boden zerstört bin. Ich muss mit jemandem reden, und das wirst du sein, eben weil du nicht hier bist, eben weil du nicht dabei gewesen bist.
    Alles war ein paar Stunden lang ganz wunderbar: essen, tanzen, lachen, baden … ganz, als wären wir in die Vergangenheit zurückgekehrt. Und dann brach die Vergangenheit plötzlich über uns herein. Margas Freundin, also Ritas Freundin, hatte eine Überraschung für uns: die Dias der Geburtstagsparty und den Mallorca-Film, den

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