Töchter des Schweigens
zerfetzt hätten, aber der Garten liegt verwaist im Mondschein, die Palmen wiegen sich sacht in der Brise, und der Pool, dessen Beleuchtung schon ausgeschaltet ist, schimmert wie Quecksilber.
»Er hat sie geschlagen«, sagt Carmen, noch immer tief beeindruckt von der Ohrfeige, die der Direktor seiner Frau gegeben hat. Sie hat das zu Hause zwar schon oft erlebt, aber ebendarum ist es etwas anderes; denn bisher war sie stets beteiligt und hat es, mit Ausnahme des Vorfalls an der Tankstelle vor zwei Tagen, noch nie als Außenstehende mitangesehen, ist nie Zuschauerin gewesen. Es ist das Entwürdigendste, das sie je erlebt hat, und sie bebt vor Zorn. »Dieser elende Drecksack hat vor meiner Nase seine Frau geschlagen, und ich habe nichts unternommen.«
»Nicht vor deiner Nase«, sagt Candela. »Eben hast du mir doch erzählt, du hättest es von der Gartentür aus gesehen, als du zurück ins Haus wolltest.«
»Aber ich habe es gesehen. Ich habe gesehen, wie Doña Loles hingefallen ist und wieder aufstehen musste, ohne dass er ihr geholfen hätte.«
»Wer hat Doña Loles geschlagen?«, fragt Tere kreidebleich und dreht sich zu ihnen um.
»Ihr Mann. Der Direktor.«
»Männer sind Arschlöcher«, sagt Candela. »Ich habe noch nie verstanden, warum einige von euch so hinter ihnen her sind.«
»Nicht alle sind so«, sagt Magda mit verquollenen, rot geweinten Augen.
»Das bezieht sich jetzt wohl hoffentlich nicht auf das Schwein César, oder?« Carmen ist wirklich wütend.
»Was weißt du denn schon?«
»Ich war direkt neben dir, als er dich losgelassen hat wie eine heiße Kartoffel und angefangen hat, mit diesem Vamp zu knutschen.«
Magda bedeckt das Gesicht mit den Händen und beginnt wieder zu weinen. Sole legt ihr den Arm um die Schultern, macht aber einen so geistesabwesenden Eindruck, als gefröre sie allmählich zu einer Eisstatue.
»Gehen wir schlafen!«, sagt Marga nach einer Weile. »Wir haben noch nicht gepackt, es ist fast zwei, und um neun sollen wir zum Frühstück erscheinen. Es ändert nichts, sich jetzt weiter über die Mannsbilder aufzuregen.«
»Aber wir können doch nicht einfach schlafen gehen, als ob nichts geschehen wäre! Ich werde kein Auge zutun!« Carmen ist so außer sich, dass sie das Gefühl hat, unter Strom zu stehen.
»Nein«, sagt Tere, beherrscht wie immer, aber sehr angespannt, »ich glaube auch nicht, dass ich viel schlafen werde.«
»Wegen dem, was der Direktor zu dir gesagt hat?«, fragt Marga.
»Hure hat mich noch keiner genannt.« Es ist das erste Mal, dass sie Tere ein böses Wort sagen hören, und aus ihrem Mund klingt es wie eine Detonation. »Ich bin keine Hure!«, wiederholt sie niedergeschlagen.
»Aber natürlich nicht! Weder du noch sonst eine von uns. Anscheinend sind bei Don Telmo heute die Sicherungen durchgebrannt, aus welchem Grund auch immer«, versetzt Candela, die Gelassenste von allen.
»Ja. Heute. Und vorgestern an der Tankstelle auch.« Ana steht ebenfalls kurz davor, aus der Haut zu fahren. »Aber was bildet sich dieser Idiot eigentlich ein? In jedem anderen Land wären wir schon volljährig. Würden wir in einem zivilisierten Land leben, müssten wir für nichts mehr um Erlaubnis bitten und es uns auch nicht bieten lassen, dass uns so ein altes Schwein ungestraft beleidigt.«
Während die Mädchen an der Brüstung über der Klippe weiterdiskutieren, beobachtet Mati sie von ihrem Bungalow aus, verborgen in der Dunkelheit. Sie sprechen so laut, dass sie fast jedes Wort versteht, und die anderen Hotelgäste müssen wohl betrunken ins Bett gefallen sein, da sich bisher keiner beschwert hat und niemand die Schreie und Seufzer zu hören scheint, die aus dem Zimmer im Erdgeschoss dringen, wo Reme sonderbare Dinge mit ihrem Schweden treibt.
Vor etwa einer Stunde hat Mati auf dem Weg zu ihrem Zimmer durch die Terrassentür gelugt, die die beiden offen gelassen haben, und Reme gesehen, die mit Händen und Füßen ans Bett gefesselt war und eine Art Kapuze über dem Kopf trug, während dieser schwedische Widerling ihr die Möse leckte. Und den Geräuschen nach zu urteilen, fangen sie gerade von Neuem an. Reme grunzt wie ein Schwein, und ihre Stimme klingt unnatürlich, als habe der Kerl sie geknebelt.
Die Mädchen schimpfen weiter über die Männer, über alle Männer, belegen sie mit jeder Schmähung, die ihnen in den Sinn kommt, und werden immer ausfallender in ihrer Ausdrucksweise, je mehr sie sich gegenseitig anstacheln.
In diesem Moment hat Mati den
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