Töchter des Schweigens
Gonzalo? Und all die Männer, die du uns im Lauf der Jahre vorgestellt hast?«
»Handtaschen, Tere. Reine Verzierung. Ich habe mich immer von Frauen angezogen gefühlt, nun ja, von einigen Frauen« – mit Betonung auf »einige« und einem Blick auf Rita –, »solange ich denken kann. Aber ihr wisst, wie meine Familie war … es hätte sie umgebracht … Marga, in der Schublade liegen auch noch einige Papiere, eine Art Roman, den ich vor Jahren angefangen und nie beendet habe. Gib sie ihnen, bitte. Darin beschreibe ich meine Familie, Inspektor. Ihr beiden versteht das, nicht wahr?«
Rita und Teresa nickten gleichzeitig. Die Bögen gingen von Hand zu Hand, und Machado faltete sie zusammen und verwahrte sie in seiner Jackentasche.
»Nun gut, Mati hatte also Wind davon bekommen und fing an, mich zu erpressen, aber das war noch nicht das Schlimmste. Das Schlimmste war, dass sie mich anhimmelte. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich weiß nicht einmal, ob Mati auch lesbisch war, jedenfalls wollte sie in allem so sein wie ich, sie wollte ich sein. In diesem Heft werden Sie auch einen Bibliotheksausweis finden, den sie sich mit ihrem Foto und meinem Namen gebastelt hatte.«
»Aber war diese Matilde denn nicht aus Novelda?«, fragte Machado und betrachtete den Ausweis mit Candelas Namen.
»Doch, aber um nicht so viel Geld für den Bus ausgeben zu müssen, wohnte sie bei einem Onkel hier in Elda. Einmal im Monat fuhr sie übers Wochenende nach Hause. Sie hatte auch einen Onkel, der in Alicante Fotograf war. Das weiß ich, weil sie mir erzählt hat, ihre Eltern wollten, dass sie nach der Schule bei ihm im Studio als Assistentin arbeite. Aber sie wollte in Valencia studieren, wie wir alle, und mit mir eine Wohnung teilen.«
»Darauf war sie also aus.«
»Nein. Auf viel Schlimmeres.« Wieder schloss sie die Augen.
»Entschuldige, Candela«, unterbrach David, »aber wenn du müde bist, könntest du die Geschichte dann nicht abkürzen und uns sagen, was mit Lena passiert ist?«
Machado warf seinem Kollegen einen warnenden Blick zu, aber der bemerkte es nicht.
»Nein. Es geht nicht anders. Wartet einen Moment.« Sie benutzte noch einmal die Sauerstoffmaske. »Gegen Ende des Schuljahres 1974 verliebte ich mich unsterblich in Marga, in Rita.« Teresa öffnete den Mund, klappte ihn aber wieder zu. Fast alles, was Candela erzählte, war ihr neu. »Und nach einiger Zeit verliebte sich Rita, obwohl sie mittlerweile mit Manolo ging, auch in mich. Ohne Mati wäre das alles kein Problem gewesen. Wir hätten zusammen studiert, eine gemeinsame Wohnung gemietet – denn damals war es nur für einen Jungen und ein Mädchen schwierig, wenn sie nicht verheiratet waren und trotzdem zusammenleben wollten, aber nicht für zwei Freundinnen – und wären glücklich gewesen. Ob für immer, kann man nicht wissen. Zumindest für eine Zeit wäre es das Paradies gewesen. Aber Mati funkte dazwischen. Sie wollte Ritas Eltern erzählen, was sie über uns wusste, damit man uns trennte und sie sich mir wie ein Betonklotz an die Fersen heften konnte. Das sagte sie mir auf der Rückreise von Palma, in dieser schaurigen Nacht auf dem Schiff, gerade als Rita und ich endgültig begriffen hatten, dass wir uns liebten, und anfingen, von einer gemeinsamen Zukunft zu träumen.
Als ich mitten in der Nacht an Deck ging, um frische Luft zu schnappen, nachdem ich mich übergeben hatte, traf ich dort Mati, und sie erzählte mir von ihrem Plan, dem Plan, den sie für unsere – ihre und meine – Zukunft ausgeheckt hatte, und der voraussetzte, dass ich Rita den Laufpass gab …
Ich weiß nicht, wie ich euch das jetzt sagen soll …, ich sah rot …, ich packte sie am Hals und drückte zu, bis sie sich nicht mehr regte, dann stieß ich sie über Bord und ging zurück in meine Kabine. Magda – oder Lena, wie sie für euch heißt – hatte mich dabei beobachtet. Sie hat immer gewusst, dass ich Mati getötet habe, und das Geheimnis immer gewahrt. Ich weiß nicht, ob aus Solidarität oder weil sie insgeheim froh war, dass ich damit das Problem aller gelöst hatte, oder aus anderen Gründen. Tatsache ist, dass sie dreiunddreißig Jahre lang geschwiegen hat.
Jedenfalls sprengte es unseren Kreis. Wir wollten uns lange nicht sehen, weil alle dachten, dass eine von uns eine Mörderin war, und obwohl eine Last von uns genommen war, fühlten wir uns nicht mehr wohl miteinander. Jahrelang gingen wir getrennte Wege, bis wir – außer Rita, die sich in London
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