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Töchter des Schweigens

Töchter des Schweigens

Titel: Töchter des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: barcelo
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Gefühl, ihre Freundin im Stich zu lassen. Doch jetzt, an der frischen Luft, unter einem Himmel, der sich allmählich violett färbte, kam ihnen das, was sich vor einer knappen Stunde zugetragen hatte, in seiner ganzen grotesken Realität zum Bewusstsein, und sie fühlten sich schuldig, ohne dass sie hätten sagen können, warum.
    Rita entzog Ana ihre Hand und zündete sich eine Zigarette an.
    »Hast du Teresa schon angerufen?«, fragte Ana.
    »Teresa? Wieso?«
    Mit einem leichten Schulterzucken kramte Ana in der Tasche und suchte ihr Handy.
    »Ich weiß nicht. In solchen Fällen ruft man doch immer Teresa an.«
    »In welchen Fällen? Immer wenn eine Freundin Selbstmord begeht?«
    »Immer wenn etwas Außergewöhnliches passiert, Rita.« Ana überhörte den Sarkasmus. »Das war schon immer so. Weißt du denn nicht mehr? Zuerst Tere und dann Marga. Dich. Tere ist das Hirn. Du bist das Herz.«
    »Du redest, als wären wir ein Organismus.«
    »Das waren wir auch, Rita, das waren wir. Und manche Dinge ändern sich nie. Hast du das nicht bemerkt, neulich abends auf der Party?« Sie unterbrach sich, als sie die Stimme im Telefon hörte. »Teresa! Du musst sofort kommen. Wir sind im Los Laureles . Rita und ich. Nein, nicht um einen zu trinken. Lena hat sich umgebracht. Beeil dich.«
    »Hast du eine Ahnung, warum sie das getan hat?«, fragte Rita, als Ana das Handy wieder einsteckte.
    Ana schüttelte langsam den Kopf.
    »Sie hatte keinen Grund, soweit ich weiß. Erinnerst du dich, dass sie uns vor ein paar Tagen erzählt hat, wie froh sie ist, endlich unabhängig zu sein, nicht auf der Suche nach einem Partner, zu akzeptieren, dass sie eine freie, selbstbewusste Frau von fünfzig Jahren ist? Und ihrem Sohn geht es gut. Erst vor Kurzem hat sie mir gesagt, dass sie vielleicht bald Oma würde. Darauf hat sie sich sehr gefreut.«
    »Was dann?«
    Ana biss sich auf die Lippen und spielte mit der Zigarettenschachtel, die Rita auf den Tisch gelegt hatte.
    »Womöglich wegen der Sache auf der Party …«
    »Meinst du?«
    »Sieh mal, Rita, Lena hat zwar nie etwas gesagt, aber ich hatte immer das Gefühl, dass sie über den Vorfall damals etwas wusste, was sie keiner von uns jemals verraten hat. Wir hatten seit einer Ewigkeit nicht mehr davon gesprochen, bis du aufgetaucht bist.« Es sollte nicht nach Vorwurf klingen, trotzdem hatte Ana, wie sie sich eingestehen musste, mit diesen Worten Rita durchaus vor Augen führen wollen, dass ihre Ankunft der Auslöser für die Tragödie gewesen war.
    »Auch ich habe niemals davon gesprochen. Meinetwegen hätten wir das Thema gern ruhen lassen können.«
    »Ja, schon. Aber Ingrid …«
    »Jetzt ist auf einmal Ingrid schuld.« Rita wurde immer gereizter.
    »Na ja, erst fängt sie an, Fragen zu stellen, und dann findet sie auch noch …«
    »Ich weiß, was sie gefunden hat, verdammt noch mal.«
    »Und Lena … du hast sie ja gesehen. Sie war fix und fertig, als sie ging.«
    »Lena hatte mich für heute zu sich eingeladen, weil sie mir erzählen wollte, was sie wusste«, sagte Rita fast ärgerlich. »Ich hatte Angst davor, aber ich bin hingegangen.«
    »Weil du es wissen wolltest …«
    »Ich weiß nicht. Ich glaube nicht.« Der Ärger in Ritas Stimme war einer großen Müdigkeit gewichen. »Weil Lena reden wollte, und weil ich es satt habe, mir von etwas, das dreiunddreißig Jahre her ist, das Leben vergällen zu lassen. Und weil alle Welt darauf besteht, mir Dinge zu erzählen, die ich gar nicht wissen will.« Rita fuhr sich mit der Hand durchs Haar und sah Ana herausfordernd an.
    »Du konntest immer gut zuhören. Und schweigen. Was noch viel wichtiger ist.«
    »Und vergessen, Ana. Das ist es, was die Leute nicht ahnen. Ich vergesse, was sie mir erzählen, es sei denn, es geht mir sehr nah.«
    »Davon handelt dein Film, stimmt’s?«
    Rita nickte und starrte in den Aschenbecher. Nach einer Weile antwortete sie stockend, als wählte sie jedes Wort mit Bedacht: »Ich habe mich immer gefragt, wie es einem Menschen, der die Geheimnisse und Bekenntnisse anderer zwar hört, aber wieder vergisst, wohl ergehen mag, wenn einer seiner früheren Gesprächspartner eines Tages beispielsweise eine hohe politische Position erreicht und fürchtet, erpressbar zu sein, weil ja ein anderer sein Geheimnis kennt. Könnte man so jemanden davon überzeugen, dass man nichts weiß, dass man das, was für ihn so beschämend oder so entscheidend war, schlicht und einfach vergessen hat?«
    »Nein. Ich glaube

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