Töchter des Windes: Roman (German Edition)
»So. Zufrieden?«
»Ich werde erst dann zufrieden sein, wenn du keine Schmerzen mehr hast.«
Ihre Kampflust legte sich. »Tut mir leid, Gray. Ich benehme mich einfach fürchterlich.«
»Du hast Schmerzen.« Er setzte sich auf die Bettkante und nahm ihre Hand. »Ich war selbst ein paarmal ziemlich lädiert, und ich weiß, daß der erste Tag elend und der zweite Tag die Hölle ist.«
Sie seufzte. »Ich dachte, es würde besser werden, und es macht mich wütend, daß es nicht so ist. Ich wollte dich nicht so anfahren.«
»Hier ist dein Tee, mein Lämmchen.« Lottie kam herein und drückte Brianna eine Tasse und eine Untertasse in die Hand. »Laß mich dir die Schuhe ausziehen, damit du dich richtig gemütlich hinlegen kannst.«
»Lottie. Danke, daß du gekommen bist.«
»Oh, nichts zu danken. Mrs. O’Malley und ich kümmern uns um alles, bis du wieder die alte bist. Mach dir also keine Sorgen.« Sie breitete eine leichte Decke über Briannas Beinen aus. »Grayson, Sie sorgen dafür, daß sie sich ausruht, ja?«
»Verlassen Sie sich drauf.« Spontan erhob er sich und gab Lottie einen Kuß. »Lottie Sullivan, Sie sind ein echter Schatz.«
»Aber nicht doch.« Vor Freude errötend, eilte sie in die Küche zurück.
»Genau wie du, Grayson Thane«, murmelte Brianna. »Du bist ebenfalls ein echter Schatz.«
»Aber nicht doch«, sagte er und sah sie fragend an. »Kann sie kochen?«
Wie er gehofft hatte, lachte Brianna. »Unsere Lottie ist eine wunderbare Köchin, und ich denke, daß du sie mit deinem Charme sicher dazu bewegen kannst, daß sie dir eine Fruchtpastete macht. Das heißt, wenn du überhaupt Appetit darauf hast.«
»Ich werde mal drüber nachdenken. Maggie hat das Buch mit reingebracht.« Er nahm es von Briannas Nachttisch und schlug es in der Mitte auf. »Bist du bereit für ein weiteres Kapitel glühender mittelalterlicher Leidenschaft?«
»Allerdings.«
»Als ich letzte Nacht gelesen habe, bist du eingeschlafen«, sagte er, während er in dem Buch blätterte. »Was ist das letzte, an das du dich erinnern kannst?«
»Daß er ihr gesagt hat, daß er sie liebt.«
»Nun, das engt das Feld natürlich wirklich ein.«
»Zum ersten Mal.« Sie klopfte neben sich auf das Bett. »Niemand vergißt es, wenn er so etwas zum ersten Mal gesagt bekommt.« Als er reglos verharrte, berührte sie verständnisvoll seinen Arm. »Du darfst keine Angst haben, Grayson. Ich möchte nicht, daß du dir wegen meiner Empfindungen für dich irgendwelche Sorgen machst.«
Doch natürlich tat er das. Aber es löste noch etwas anderes bei ihm aus, etwas, von dem sie verdient hatte, daß sie es erfuhr. »Es beschämt mich, Brianna.« Er hob den Kopf, und seine goldbraunen Augen sahen sie unsicher an. »Und es überwältigt mich.«
»Ich hoffe, daß du dich eines Tages darüber freuen wirst, wenn du dich daran erinnerst, wie du es zum ersten Mal gesagt bekommen hast.« Sie nippte lächelnd an ihrem Tee. »Und jetzt erzähl mir eine Geschichte, Gray.«
24. Kapitel
E r fuhr nicht, wie geplant, am ersten Juni ab. Er hätte es gekonnt. Und er wußte, er hätte es gesollt. Aber es erschien ihm falsch und vor allem feige, zu gehen, ehe er nicht wußte, daß Brianna wieder vollständig genesen war.
Die Verbände hatte sie inzwischen abgelegt. Er besah sich die Prellungen und kühlte die Schwellung an ihrer Schulter mit Eis, er litt, wenn sie sich im Schlaf bewegte und dadurch Schmerz empfand, er schalt sie, wenn sie sich übernahm. Aber er rührte sie nicht an.
Obgleich er stündlich wachsendes Begehren empfand. Zunächst hatte er Angst gehabt, selbst die sanfteste Berührung täte ihr womöglich weh. Dann beschloß er, daß es so am besten war. So gäbe es einen geradezu fließenden Übergang von der Affäre zur Freundschaft und von dort zur Erinnerung. Sicher wäre es für sie beide leichter, wenn sie die verbleibenden Tage lediglich als Freunde statt in Leidenschaft verbrächten.
Sein Buch war fertig, aber er schickte es nicht ab. Gray sagte sich, er würde vor Beginn seiner Lesereise einen eiligen Umweg über New York machen und es persönlich abgeben. Wenn er hin und wieder daran dachte, daß er Brianna gebeten hatte, eine Zeitlang mit ihm zu verreisen, dann sagte er sich nun, am besten vergäße er das Angebot.
Natürlich, weil es für sie so einfacher wäre. Natürlich dachte er dabei nicht an sich.
Er sah durch das Fenster, daß sie die Wäsche von der Leine nahm. Der kühle Westwind blies ihr die offenen Haare aus dem
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