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Tödliche Absicht

Tödliche Absicht

Titel: Tödliche Absicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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halbe Stunde später. Hat vor dem Weggehen noch einen Blick in sein Büro geworfen, wie immer. Sie kann bestätigen, dass sein Schreibtisch leer war. Jedes Blatt Papier wäre sofort aufgefallen.«
    Reacher nickte. Die Schreibtischplatte sah wie das Vorderdeck eines Schlachtschiffs aus, das von einem Admiral inspiziert werden sollte. Auf ihr wäre jedes Stäubchen aufgefallen.
    »Am Donnerstagmorgen um acht kommt die Sekretärin wieder zum Dienst«, sagte Froelich. »Sie setzt sich gleich an ihren Schreibtisch und beginnt zu arbeiten. Macht Stuyvesants Tür gar nicht auf. Um zehn nach acht kreuzt Stuyvesant selbst auf. Er trägt einen Regenmantel und hat einen Aktenkoffer in der Hand. Zieht den Mantel aus und hängt ihn an den Garderobenständer. Seine Sekretärin spricht ihn an, er stellt den Aktenkoffer auf ihren Schreibtisch und wechselt ein paar Worte mit ihr. Dann öffnet er die Tür zu seinem Büro und geht hinein. Er hat nichts in der Hand. Sein Aktenkoffer steht immer noch auf dem Schreibtisch der Sekretärin. Nach etwa vier bis fünf Sekunden kommt er wieder heraus und ruft seine Sekretärin herein. Beide können bestätigen, dass das Blatt Papier zu diesem Zeitpunkt auf dem Schreibtisch gelegen hat.«
    Neagley sah sich im Büro um, begutachtete die Tür, den Schreibtisch, die Entfernung zwischen Tür und Schreibtisch.
    »Haben die beiden das nur ausgesagt?«, fragte sie. »Oder wird auf Videoband aufgezeichnet, was die Überwachungskameras aufnehmen?«
    »Beides«, entgegnete Froelich. »Jede Kamera hat ihren eigenen Recorder. Ich habe mir das Band angesehen, und alles – ihr Kommen und Gehen – läuft genau so ab, wie sie es geschildert haben.«
    »Falls sie nicht unter einer Decke stecken, hat also keiner von ihnen das Blatt auf den Schreibtisch gelegt.«
    Froelich nickte. »So ist es.«
    »Wer war’s also?«, fragte Reacher. »Wen zeigt das Videoband noch?«
    »Die Putzkolonne«, sagte Froelich.
    Sie führte Neagley und Reacher in ihr eigenes Büro, zog drei Videokassetten aus einer Schreibtischschublade und trat an ein Regal, auf dem ein kleiner Sony-Fernseher mit integriertem Recorder zwischen Laserdrucker und Faxgerät eingezwängt stand.
    »Das hier sind Kopien«, sagte sie. »Die Originale haben wir sicher verwahrt. Die Recorder werden durch Zeitschalter aktiviert und nehmen jeweils sechs Stunden auf. Von sechs Uhr morgens bis Mittag, Mittag bis achtzehn Uhr, achtzehn Uhr bis Mitternacht, Mitternacht bis sechs Uhr, dann wieder von vorn.«
    Sie nahm die Fernbedienung aus einer anderen Schublade und schaltete den Fernseher ein. Schob die erste Videokassette in das Gerät, das klickte und surrte. Dann erschien ein trübes Bild.
    »Mittwochabend«, sagte sie. »Ab achtzehn Uhr.«
    Das Bild war grau und milchig und leicht verschwommen, aber trotzdem ausreichend scharf. Die über dem Kopf der Sekretärin montierte Kamera erfasste den gesamten Vorraum. Die Sekretärin saß am Schreibtisch, telefonierte. Sie war nicht mehr jung, hatte weißes Haar. Stuyvesants Tür konnte man rechts im Bild sehen. Unten links waren Datum und Zeit eingeblendet. Als Froelich den schnellen Vorlauf einschaltete, kam Bewegung ins Bild. Der weißhaarige Kopf der Sekretärin bewegte sich ruckelnd. Ihre rechte Hand fuhr auf und ab, als sie Gespräche beendete und neue Anrufe entgegennahm. Ein Bürobote kam herbeigeeilt, übergab ihr einen Stapel Hauspost, wandte sich ab und hastete davon. Die Sekretärin sortierte den Stapel mit der Geschwindigkeit einer Maschine. Schnitt einen Umschlag nach dem anderen auf, legte ihren Inhalt ordentlich aufeinander und versah jedes einzelne Blatt mit einem Stempel.
    »Was macht sie da?«, fragte Reacher.
    »Eingangsstempel«, antwortete Froelich. »Unsere ganze Organisation basiert auf akribisch geführten Akten. Das war schon immer so.«
    Die Sekretärin blätterte die Seiten mit der Linken halb um und stempelte sie mit der Rechten. Der schnelle Vorlauf ließ ihre Bewegungen hektisch wirken. Das eingespielte Datum in der linken unteren Ecke blieb unverändert. Die Zeit lief so schnell ab, dass sie gerade noch zu erkennen war. Reacher achtete nicht mehr auf den Fernsehschirm, sondern sah sich in Froelichs Büro um. Ein typisches staatliches Büro, das zivile Gegenstück zu den Dienstzimmern, in denen er gearbeitet hatte: betont schlicht und für viel Geld in ein schönes altes Gebäude hineingezwängt. Strapazierfähiger grauer Nylonteppichboden, Laminatmöbel, Computerkabel in weißen

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