Tödliche Absicht
Möglichkeiten gefunden haben, an die Zielperson heranzukommen. Stimmt’s?«
»Drei glasklare Chancen«, antwortete Froelich.
Stuyvesant nickte. »Im Ballsaal, nehme ich an«, sagte er. »Dann wahrscheinlich im Haus der Armstrongs und auch bei dieser verdammten Versammlung unter freiem Himmel in Bismarck. Hab ich Recht?«
»Ja«, erwiderte Froelich.
»Extremes Anforderungsniveau für einen Attentäter«, sagte Neagley. »Das sich vermutlich so nicht wiederholt.«
Stuyvesant hob abwehrend eine Hand. »Kommen Sie, wir gehen in den Konferenzraum«, sagte er. »Ich möchte über Baseball reden.«
Er führte sie durch schmale, verwinkelte Flure in einen verhältnismäßig großen Raum tief im Innern des Gebäudes. Dort stand ein langer Tisch mit zehn Stühlen, je fünf auf einer Seite. Keine Fenster. Die gleiche graue Nylonauslegeware auf dem Boden, die gleichen weißen Schalldämmplatten an der Decke. Das gleiche grelle Halogenlicht. An einer Wand befand sich ein halb hoher Schrank. Seine Türen waren geschlossen, auf der Ablagefläche standen drei Telefone: zwei weiße und ein rotes. Stuyvesant nahm Platz und bot ihnen mit einer Handbewegung die Stühle auf der anderen Seite des Tisches an. Reacher warf einen Blick auf das riesige schwarze Brett, an dem unzählige Memos mit dem Vermerk Vertraulich hingen.
»Ich will offen sprechen«, sagte Stuyvesant. »Nur begrenzt, das ist klar, weil ich glaube, dass wir Ihnen eine Erklärung schulden. Und weil Froelich Sie mit meiner anfänglichen Billigung engagiert hat und Joe Reachers Bruder gewissermaßen zur Familie gehört, was somit auch für seine Kollegin gilt.«
»Wir haben beim Militär zusammengearbeitet«, erklärte Neagley.
Stuyvesant nickte, als wüsste er dies längst. »Reden wir also über Baseball«, sagte er. »Sie interessieren sich für das Spiel?«
Alle warteten schweigend.
»Als ich hierher kam, gab es die Washington Senators schon nicht mehr«, sagte er. »Also musste ich mich mit den Baltimore Orioles zufrieden geben, was oft ein sehr gemischtes Vergnügen war. Aber verstehen Sie, was an diesem Spiel einzigartig ist?«
»Die Länge der Saison«, antwortete Reacher. »Die prozentualen Gewinnchancen.«
Stuyvesant lächelte anerkennend.
»Vielleicht sind Sie doch cleverer als Ihr Bruder«, sagte er. »Das Besondere an Baseball ist, dass die reguläre Saison hundertzweiundsechzig Spiele lang ist. Viel, viel länger als in jeder anderen Sportart: Basketball, Hockey, Football, Fußball und so weiter. Hier können die Spieler zu Saisonbeginn davon träumen, jedes einzelne Spiel der laufenden Saison zu gewinnen. Das ist schon des Öfteren passiert. Aber im Baseball ist so ein Ziel unerreichbar. Die besten Teams, die größten Champions, sie alle verlieren rund ein Drittel ihrer Spiele, mindestens fünfzig bis sechzig pro Jahr. Stellen Sie sich vor, was das aus psychologischer Sicht bedeutet. Man ist ein Klassespieler, brennt vor Ehrgeiz – und trotzdem weiß man, dass man mehrmals verlieren wird. Darauf muss man sich mental einstellen, sonst wird man nicht damit fertig. Und Personenschutz für einen Präsidenten oder Vizepräsidenten ist genau das Gleiche. Darauf will ich hinaus. Wir können nicht jeden Tag Sieger sein. Deshalb gewöhnen wir uns daran.«
»Sie haben nur einmal verloren«, widersprach Neagley. »Das war 1963.«
»Nein«, sagte Stuyvesant. »Wir verlieren häufig. Aber nicht jede Niederlage ist bedeutsam. Genau wie im Baseball. Nicht jeder Hit, den der Gegner erzielt, bringt ihm einen Run, nicht jede Niederlage, die man einstecken muss, kostet einen die World Series. Und bei uns bedeutet nicht gleich jeder Fehler, dass unser Mann tot ist.«
»Was wollen Sie damit sagen?«, fragte Neagley.
»Damit will ich sagen, dass Sie trotz aller Schwachpunkte, die Ihr Audit aufgedeckt haben mag, weiter beträchtliches Vertrauen zu uns haben sollten. Nicht jeder Fehler kostet uns einen Run. Mir ist völlig klar, dass Gelassenheit dieser Art auf Außenstehende wie Gleichgültigkeit wirken muss. Aber gerade Sie werden verstehen, dass wir gezwungen sind, so zu denken. Ihr Audit hat ein paar Lücken aufgedeckt, und wir haben nun abzuwägen, ob es möglich ist, sie zu schließen. Ob der Aufwand sich lohnt. Die Beurteilung werde ich allein Froelich überlassen. Aber Sie möchte ich dringend bitten, alle Zweifel abzulegen, die Sie vielleicht in Bezug auf uns hegen. Als Privatpersonen, meine ich. Lücken im Sicherheitssystem wird’s immer geben. Das
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