Tödliche Absicht
kleiner schwarzer Punkt in der Luft. Der fast zwanzig Meilen entfernte Kirchturm war kaum sichtbar. Der schwarze Punkt wurde größer. Über ihm waren verschwommene graue Rotorblätter zu erkennen. Er schien bewegungslos in der Luft zu hängen. Reacher sah durch die Windschutzscheibe schräg nach oben. Sie war am oberen Rand blau getönt. Als der Hubschrauber durch diesen Streifen tiefer ging, konnte er seine Form erkennen. Der Rumpf war dick und zum Bug hin knollig. Vermutlich ein UH-60 Black Hawk. Sein Pilot sichtete die Kirche und hielt darauf zu. Die Maschine surrte wie ein fettes Insekt. Der Yukon holperte langsam über das unebene Gelände. Die Geldbörsen rutschten von Reachers Knien, und die Zettel verteilten sich im Fußraum. Der Hubschrauber schwebte über dem Landeplatz, dann drehte er sich in der Luft, damit seine Kabinentür beim Aufsetzen zum Kirchenportal wies.
»Golfschläger«, sagte Reacher. »Nicht Werkzeugmuster.«
»Was?«
Er hielt einen Zettel hoch. »Eine UPS-Quittung. Luftbeförderung mit Auslieferung am nächsten Tag. Aus Minneapolis. Adressiert an Richard Wilson, eintreffender Gast in einem Washingtoner Motel. Ein Karton, dreißig mal dreißig mal hundertzwanzig Zentimeter. Inhalt: eine Tasche mit Golfschlägern.«
Dann verstummte er. Starrte einen weiteren Zettel an.
»Und noch etwas«, sagte er. »Vielleicht etwas für Stuyvesant.«
Sie hielten mitten in der Prärie an, um zu beobachten, wie der Hubschrauber in der Ferne landete. Gingen ziellos im Kreis herum, gähnten und reckten sich. Der sich abkühlende Motor des Yukon knackte laut. Reacher legte die beiden Polizeiplaketten mit den Dienstausweisen und den Führerscheinen auf den Beifahrersitz und schleuderte die leeren Geldbörsen weit hinaus in die Landschaft.
»Wir müssen das überflüssige Zeug loswerden«, sagte er. Sie wischten ihre Fingerabdrücke von allen vier Waffen und warfen sie in alle vier Himmelsrichtungen ins Gras. Ließen die Reservemunition in weitem Bogen folgen. Schleuderten das Teleskop für Vogelliebhaber hinterher. Reacher behielt Mütze und Handschuhe. Und das Keramikmesser. Er hatte es lieb gewonnen.
Dann fuhren sie langsam und in aller Ruhe nach Grace. Parkten in der Nähe des wartenden Hubschraubers und stiegen aus. Sie konnten den Klang der Orgel und den Gesang der Trauergemeinde hören. Keine Neugierigen. Keine Medien. Eine würdevolle Veranstaltung. In diskreter Entfernung parkte ein Streifenwagen mit Polizeibeamten aus Casper. Neben dem Hubschrauber stand ein Besatzungsmitglied in einer Fliegerkombi. Er war aufgeweckt und wachsam. Wahrscheinlich gar kein Besatzungsmitglied, sondern einer von Stuyvesants Männern in geliehener Montur.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Neagley.
»Klar, wie immer«, sagte Reacher. »Und du?«
»Mir geht’s gut.«
So standen sie eine Viertelstunde vor der Kirche, bis sich die schwere Eichentür öffnete und eine kleine Menge langsam in den Sonnenschein hinaustrat. Der Pastor blieb mit Froelichs Eltern am Kirchenportal stehen und wechselte mit allen Gottesdienstbesuchern ein paar Worte.
Nach einigen Minuten kam Armstrong in Begleitung Stuyvesants aus der Kirche. Beide trugen dunkle Wintermäntel. Sie wurden von sieben Agenten umringt. Armstrong sprach mit dem Geistlichen und Froelichs Eltern und schüttelte ihnen die Hand. Dann eskortierte seine Leibwache ihn zu dem wartenden Hubschrauber. Armstrong entdeckte Reacher und Neagley und machte einen kleinen Umweg, um in ihre Nähe zu gelangen. Sein Gesicht war ein einziges Fragezeichen.
»Und so leben wir alle glücklich und zufrieden«, sagte Reacher.
Armstrong nickte knapp. »Danke«, sagte er.
»Nichts zu danken«, sagte Reacher.
Armstrong zögerte noch einen Moment, wandte sich dann ab, ohne ihnen die Hand zu geben, und hastete zu seinem Hubschrauber. Einige Schritte hinter ihm kam Stuyvesant.
»Glücklich?«, fragte er.
Reacher holte die Polizeiplaketten, Dienstausweise und Führerscheine aus seinen Taschen und überreichte sie Stuyvesant.
»Vielleicht glücklicher, als wir dachten«, erwiderte Reacher. »Es waren keine von Ihren Leuten, sondern Cops aus Idaho, aus der Nähe von Boise. Ihre Adressen stehen hier drin. Dort finden Sie bestimmt alles, was Sie brauchen. Den Computer, das Papier und den Drucker. Andrettis Daumen in der Tiefkühltruhe. Vielleicht noch etwas anderes.«
Er zog einen schmalen Zettel aus der Tasche.
»Das hier habe ich auch gefunden«, sagte er. »In einer der Geldbörsen. Es
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