Tödliche Beute
und deutete auf die Roosevelt-Statue. »Vielleicht sollten Sie sich mal etwas genauer mit dem Lebenslauf dieses Mannes auseinander setzen. Er hat nie verlangt, dass andere ihre Köpfe für ihn hinhalten. Es tut mir Leid um Ihren Cousin, Ben, und auch um Josh Green. Schön, dass wir uns wiedergesehen haben, Therri.«
Austin ging davon. Er hatte genug von Ryans Selbstherrlichkeit. Nighthawks Geschichte wäre ein guter Ansatzpunkt gewesen, aber dann hatte Ryan seine überzogenen Bedingungen gestellt. Kurt näherte sich der Fußgängerbrücke, als er hinter sich Schritte hörte. Therri war ihm vom Denkmal gefolgt. Sie holte ihn ein und nahm ihn sanft beim Arm. »Kurt, bitte denken Sie noch mal darüber nach. Marcus braucht wirklich Ihre Hilfe.«
»Das sehe ich ähnlich. Aber ich kann seine Bedingungen nicht akzeptieren.«
»Wir finden eine Möglichkeit«, erklärte sie.
»Falls Sie und Ben die Unterstützung der NUMA wollen, müssen Sie sich von Ryan trennen.«
»Das kann ich nicht tun«, sagte sie und versuchte, ihm schöne Augen zu machen.
»Da bin ich anderer Ansicht«, erwiderte er und hielt ihr mit durchdringendem Blick mühelos stand.
»Verdammt, Austin, Sie sturer Mistkerl«, fluchte sie wütend.
Kurt lachte in sich hinein. »Heißt das, Sie essen heute nicht mit mir zu Abend?«
Therris Antlitz verfinsterte sich noch mehr. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und eilte mit großen Schritten davon. Austin schaute ihr hinterher, bis sie um eine Biegung verschwand. Er schüttelte den Kopf. Was für Opfer ich doch für die NUMA bringe, dachte er. Dann ging er weiter, nur um kurz darauf erneut innezuhalten, als jemand zwischen den Bäumen zum Vorschein kam. Es war Ben Nighthawk.
»Ich bin unter einem Vorwand abgehauen«, keuchte er.
»Marcus glaubt, ich sei auf dem Klo. Ich muss mit Ihnen reden. Ich kann verstehen, dass Sie sich nicht mit den SOS zusammentun wollen. Die ganze Publicity ist Marcus zu Kopf gestiegen. Er hält sich für Wyatt Earp. Aber ich habe mit angesehen, wie diese Kerle meinen Cousin und Josh ermordet haben. Ich wollte Ryan klar machen, mit wem er sich da anlegt, aber er hört nicht auf mich. Falls die SOS irgendeine Aktion starten, sind meine Angehörigen so gut wie tot.«
»Verraten Sie mir, wo die Leute stecken, und ich werde tun, was ich kann.«
»Das ist schwer zu erklären. Ich muss Ihnen eine Karte zeichnen. Oh, Mist …«
Ryan kam mit wütender Miene den Pfad herauf. »Rufen Sie mich an«, sagte Austin.
Ben nickte und ging Ryan entgegen, woraufhin sich zwischen den beiden eine hitzige Debatte entspann. Dann legte Ryan dem jungen Indianer einen Arm um die Schultern und führte ihn in Richtung Denkmal, nicht ohne zuvor Austin mit finsterem Blick zu mustern. Kurt ließ sich davon nicht beeindrucken und ging zu seinem Wagen.
Zwanzig Minuten später schlenderte Austin in das Luft-und Raumfahrtmuseum an der Independence Avenue. Er fuhr mit dem Aufzug in den zweiten Stock und wollte zur Bibliothek, als ein Mann mittleren Alters aus einem der Seitenräume trat. Er trug einen zerknitterten gelbbraunen Anzug.
»Ich glaub, ich träume … Kurt Austin!«, rief er.
»Ich hab mich schon gefragt, ob ich dich hier treffen würde, Mac.«
»Da bist du genau am richtigen Ort. Ich wohne praktisch in diesen Hallen. Wie geht’s dem Stolz der NUMA?«
»Prima. Und was macht die Antwort der Smithsonian Institution auf St. Julien Perlmutter?«
MacDougal brach in glucksendes Gelächter aus. Er war groß und schlank, mit dünnem rotblondem Haar und einer Hakennase, die sein schmales Gesicht beherrschte.
Körperlich entsprach er damit dem genauen Gegenteil des kugelrunden Perlmutter. Aber was ihm an Leibesumfang fehlte, machte er mit seiner enzyklopädischen Kenntnis der Luftfahrtgeschichte wieder wett. In dieser Beziehung hielt er dem Vergleich mit Perlmutters marinehistorischer Kompetenz jederzeit stand.
»St. Julien besitzt in der Fachwelt weitaus mehr, äh, Gewicht als ich«, sagte er mit verschmitzt funkelnden grauen Augen. »Was verschlägt dich denn in die luftigen Höhen der Archivabteilung?«
»Ich stelle Nachforschungen über ein altes Luftschiff an und habe gehofft, in eurer Bibliothek eventuell fündig zu werden.«
»Spar dir die Mühe. Ich will gerade zu einer Besprechung, aber wir können unterwegs ein wenig plaudern.«
»Hast du jemals von einem Luftschiff namens
Nietzsche
gehört?«, fragte Austin.
»Aber sicher. Es gab nur ein Schiff dieses Namens – es ist 1935 bei einer
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