Tödliche Beute
der Mann mit seinem Körpergewicht dagegen, tippte kurz die Bremse an, und schon hatten alle Räder wieder Bodenkontakt. Der Fahrer des blauen Schlittens nutzte den Vorteil, schnitt mit beachtlichem Können die weite Kehre und gewann dadurch eine Viertellänge.
Die Menge jubelte lauthals und geriet völlig aus dem Häuschen, als der blaue Schlitten die Führung auf eine halbe Länge ausbauen konnte. Nur noch ein kleines Stück, und er würde in der Lage sein, vor dem roten Konkurrenten einzuscheren und auf diese Weise den Rennverlauf zu kontrollieren. Der blaue Fahrer schaute immer wieder über die Schulter und wartete auf eine Gelegenheit. Er erhielt sie in der vierten und letzten Kurve.
Der führende Schlitten fuhr auf der Außenbahn mit genau der passenden Geschwindigkeit und im richtigen Winkel in die Biegung, um endgültig vor den anderen Fahrer zu gelangen. Doch der rote Schlitten schwenkte unversehens nach rechts und berührte mit dem Vorderrad das linke Hinterrad des Führenden. Der blaue Schlitten geriet sofort ins Schlingern, und der Fahrer bemühte sich, ihn wieder unter Kontrolle zu bekommen. Die Hunde ahnten, dass gleich ein Peitschenhieb folgen würde, und legten sich noch emsiger ins Zeug, aber die Fliehkraft erwies sich als stärker.
Der blaue Schlitten kippte zur Seite. Der Fahrer schoss wie eine Kanonenkugel durch die Luft, schlug hart am Boden auf, rollte ein paarmal um die eigene Achse und blieb reglos liegen. Die Hunde zogen das umgestürzte Gefährt noch ein Stück weiter und gingen dann aufeinander los. Sogleich liefen Helfer herbei, um die Tiere zu trennen, während andere sich um den Fahrer kümmerten.
Obwohl er als Gewinner schon feststand, raste der Lenker des roten Schlittens mit unverminderter Geschwindigkeit weiter bis über die Ziellinie. Dann sprang er von dem ausrollenden Gefährt, schnappte sich aus einem Fass eine Harpune und warf sie – ohne auch nur einen Moment Maß zu nehmen – auf eine Zielscheibe, die neben der Rennstrecke stand. Er traf genau in die Mitte.
Danach zog er ein Beil aus dem Gürtel und schleuderte es hinterher. Wieder ein Volltreffer.
Der Sieger hob beide Fäuste, stieß einen markerschütternden Triumphschrei aus, stolzierte breit grinsend am Rand der Rennbahn entlang und wirkte dabei wie ein bösartiges Schreckgespenst. Sein arrogantes Gehabe räumte die letzten Zweifel aus, die Kollision könnte ein Unfall gewesen sein. Aus der schockierten Menge ertönte ein einzelner Buhruf, dem sich sogleich weitere Leute anschlossen, bis ein wütendes Pfeifkonzert der Zuschauer unmissverständlich zum Ausdruck brachte, was sie von dem Winkelzug des Gewinners hielten. Empört wandten die ersten Gäste sich ab und kehrten ins Museum zurück.
Der Fahrer gestikulierte wild, als wollte er das Publikum herausfordern. Sein Blick schweifte über die Menge und suchte nach jemandem, der mutig oder dumm genug wäre, sich auf einen Kampf einzulassen. Dann entdeckte er Austin. Die dunklen Augen verengten sich zu Schlitzen.
Kurt erstarrte. Nur ein kurzes Stück entfernt stand der Mann, der ihn mit dem Messer verletzt und am Nixentor eine Handgranate in sein Boot geworfen hatte. Er hätte den Fremden schon an dessen hasserfülltem Blick wiedererkannt, auch ohne die senkrecht eintätowierten Linien auf den Wangenknochen oder den unförmigen Fleischklumpen, der einst eine Nase gewesen war.
Die dicken Lippen in dem dunklen breiten Gesicht formten ein stummes Wort.
Austin.
Kurt war verblüfft, dass der Mann seinen Namen kannte, ließ es sich aber nicht anmerken.
»Lange nicht gesehen, Nanuk«, sagte er so spöttisch wie möglich. »Du schuldest mir noch Geld für die kleine Nasenkorrektur, mein Hübscher.«
Der Fahrer kam bis auf weniger als einen halben Meter heran, so dass ihn nur noch das gelbe Absperrband von Austin trennte. Kurt konnte seinen stinkenden Atem riechen.
»Ich heiße
Umealiq
«, sagte er. »Du sollst meinen Namen winseln, wenn du mich um Gnade anflehst.«
»Ich kann verstehen, dass dir dein neues Gesicht nicht gefällt«, erwiderte Austin ruhig. »Aber was sollte ich bei so dürftigem Ausgangsmaterial schon großartig bewirken können? Bezahl mir das Boot, das du in die Luft gejagt hast, und wir sind quitt.«
»Dein Lohn ist der
Tod
«, knurrte der Mann.
Er griff an den Gürtel und zog langsam das Knochenmesser aus der Scheide. Wenngleich die meisten Zuschauer gegangen waren, standen immer noch einige Gruppen herum. Austin spürte, dass dies für ihn keine
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