Tödliche Beute
Sicherheit bedeutete und der Mann nicht zögern würde, ihn zu töten, sogar vor Dutzenden von Zeugen. Er ballte die rechte Faust und nahm sich vor, mitten auf die gebrochene Nase zu schlagen, um möglichst viel Schaden anzurichten.
Dann sah er aus dem Augenwinkel plötzlich eine Bewegung. Ben Nighthawk stürzte sich auf den Fahrer, aber der Indianer war zu leicht und unerfahren, um etwas zu bewirken. Umealiq grunzte lediglich, und sein stämmiger Körper erzitterte leicht unter dem Aufprall, aber er behielt das Gleichgewicht und schlug Nighthawk mit einem wuchtigen Hieb beiseite.
Seine Hand tastete erneut nach dem Messer, und er trat einen Schritt vor – nur um im nächsten Moment innezuhalten, weil hinter ihm Rufe laut wurden. Der Fahrer des blauen Schlittens kam in Begleitung einiger wütender Freunde quer über den Rasen auf ihn zu. Das Gesicht des Mannes war mit Schmutz und Blut befleckt.
Umealiq wirbelte herum und geriet mit den Neuankömmlingen in einen zornigen Streit, der sich eindeutig um das Rennen drehte. Nach einem schnellen lodernden Blick auf Austin drängte er sich zwischen den anderen hindurch und kehrte zu den Lastwagen zurück.
Therri kniete neben Nighthawk. Austin gesellte sich hinzu und sah, dass der Indianer mit einer Beule unter dem Auge davongekommen war. Gemeinsam halfen sie Ben auf die Beine. »Das war der Mann, der meinen Cousin ermordet hat«, zischte er.
»Bist du
sichert
«, fragte Therri.
Nighthawk nickte wortlos. Sein benommener Blick erfasste die Gestalt auf dem Rasen, und er stolperte los.
Austin sah es kommen und verstellte ihm den Weg. »Er und seine Leute werden Sie töten.«
»Das ist mir egal.«
»Jetzt ist nicht der richtige Moment«, sagte Austin unnachgiebig.
Nighthawk erkannte, dass seine Entschlossenheit nicht ausreichen würde, um an Austins breiten Schultern vorbeizugelangen. Er stieß einen Fluch in seiner Muttersprache aus und machte sich steifbeinig auf den Rückweg ins Museum.
»Danke, dass Sie Ben aufgehalten haben«, sagte Therri.
»Wir sollten die Polizei verständigen.«
»Keine schlechte Idee. Aber es könnte ein Problem geben.«
Aus Richtung des Museums näherte sich eine Gruppe von Männern, angeführt von dem hoch gewachsenen Dr. Barker. Er grüßte Kurt wie einen alten Freund. »Wie schön, Sie wiederzusehen, Austin. Ich will soeben aufbrechen und möchte Ihnen vorher noch alles Gute wünschen.«
»Danke, aber wofür?«
»Für Ihre letzte Reise. Umealiq wartet auf Sie und Ihre Freundin. Sie werden erfahren, weshalb man ihn nach der Lanze benannt hat, mit der die Inuit auf Robbenjagd gehen.«
Barker wies auf die Mitte der Rennbahn, wo Narbengesicht bereitstand. Dann ging er in Begleitung von zwei Leibwächtern zu einer wartenden Limousine. Die restlichen Männer blieben vor Ort.
Aus Richtung der geparkten Lastwagen liefen weitere herbei. Austin zählte ungefähr zwanzig Gegner. Das sah nicht gut aus. Es wurde sogar noch schlimmer, weil einige der Männer die tragbaren Scheinwerfer ausschalteten, die das Areal bislang hell erleuchtet hatten.
Die Mall hatte sich in einen großen einsamen Ort verwandelt. Der einzige Polizist weit und breit stand auf dem Madison Drive und hielt den Verkehr an, damit die Leute ins Museum zurückkehren konnten. Die letzten Gäste waren aufgebrochen, und die Passanten hatten ihre Spaziergänge fortgesetzt. Austin verfolgte mit scharfem Blick, wie die Schatten der Fremden ihn einkreisten.
Er nahm Therri beim Arm und wollte in Richtung Museum entfliehen, aber Barkers Männer versperrten ihnen den Weg. Es war wie unlängst in Kopenhagen, nur dass Austin diesmal keinen Mülltonnendeckel hatte, den er als Schild und Waffe einsetzen konnte. Er sah mehrere Fußgänger und sogar ein paar Beamte des National Park Service, die über die Mall schlenderten, ohne etwas von dem sich anbahnenden Drama zu ahnen, aber er beschloss, nicht um Hilfe zu rufen. Die Retter hätten sich sofort in tödlicher Gefahr befunden.
Einen der Scheinwerfer hatte man nicht ausgeschaltet.
Dort wartete Umealiq wie ein Schauspieler im Rampenlicht. Seine Hand ruhte auf der Messerscheide.
Die anderen Männer näherten sich von allen Seiten.
Austin hatte keine Wahl. Er nahm Therris Hand und ging mit ihr langsam dem sicheren Tod entgegen.
25
Trotz des drohenden Verhängnisses blieb Austin absolut gelassen. Er hatte die Fähigkeit entwickelt, seinen Verstand in eine Art Schnellgang zu schalten. Während seine Synapsen fieberhaft arbeiteten, ordnete
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