Tödliche Beute
Austin überlegte, was aussichtsreicher schien: Barker durch die Scheibe des Dioramas zu befördern oder es mit den beiden Kerlen an der Tür aufzunehmen. Er hatte bereits beschlossen, dass ihm keine dieser Optionen gefiel, und suchte verzweifelt nach einer weiteren Alternative, als es an der Tür klopfte und MacDougal seinen Kopf in den Raum steckte.
»Hey, Kurt«, rief er. »Ich suche Charlie Gleason. Bitte entschuldige die Störung.«
»Kein Problem«, sagte Austin. MacDougal war zwar nicht die Siebente Kavallerie, aber er würde ausreichen.
Die beiden Wachen schauten fragend zu Barker. Er setzte die Sonnenbrille wieder auf, bedachte Austin mit einem frostigen Lächeln, sagte: »Bis zum nächsten Mal«, und ging zur Tür. Die Posten traten beiseite, um ihn durchzulassen. Eine Sekunde später verschwanden die drei Männer in der Menschenmenge.
Austins Retter leistete ihm nicht lange Gesellschaft. Als sie den Raum verließen, erspähte MacDougal einen Senator, der als Freund der Smithsonian Institution galt, und steuerte sofort auf ihn zu, um dem Politiker zusätzliche Gelder zu entlocken. Austin mischte sich unter die anderen Gäste, bis jemand ankündigte, es würden nun die Hundeschlittenrennen beginnen. Er war auf dem Weg in die Eingangshalle, als er einen kastanienbraunen Schopf erblickte, dessen Locken auf bloße Schultern fielen. Therri musste seine Anwesenheit gespürt haben. Sie drehte sich um und blickte zornig in seine Richtung. Dann lächelte sie.
»Kurt, was für eine nette Überraschung«, sagte sie. Als sie sich die Hand gaben, musterte sie ihn von Kopf bis Fuß.
»Ihr Smoking steht Ihnen prächtig.«
Nach dem bedauerlichen Ende des Treffens auf Roosevelt Island hatte Austin nicht mit einer so freundlichen Begrüßung gerechnet. »Danke«, sagte er.
»Ich hoffe, man riecht die Mottenkugeln nicht.«
Sie zupfte sein Revers zurecht, als wäre sie seine Begleiterin beim Abschlussball. »Ganz im Gegenteil, Sie riechen sogar sehr gut.«
»Danke, gleichfalls. Bedeuten diese blumigen Komplimente, dass wir jetzt wieder Freunde sind?«
»Ich war nie wütend auf Sie. Vielleicht ein wenig
enttäuscht
.« Sie zog einen Schmollmund, aber ihre Augen funkelten. Das kumpelhafte Verhalten konnte nicht über ihre Sinnlichkeit hinwegtäuschen.
»Einigen wir uns also auf einen Waffenstillstand und fangen noch mal von vorn an.«
»Sehr gern.« Therri warf einen Blick auf die Umstehenden. »Mich interessiert, weshalb Sie diese Ausstellung besucht haben.«
»Aus dem gleichen Grund wie Sie. Es ist Ihnen gewiss nicht entgangen, dass die Exponate Eigentum von Oceanus sind.«
»Ganz recht, das war für uns ausschlaggebend.« Therri blickte zum Rand der Eingangshalle, wo Ben Nighthawk stand. Er schien sich in seinem schwarzen Smoking unwohl zu fühlen, wusste nicht, wo er seine Hände lassen sollte, und verlagerte das Gewicht von einem Bein aufs andere. Sie winkte ihn heran.
»Ben kennen Sie ja bereits«, sagte Therri.
»Schön, Sie wiederzusehen«, sagte Austin und gab ihm die Hand. »Schicker Anzug.«
»Danke«, entgegnete Nighthawk leicht gequält. »Ich hab ihn mir ausgeliehen.« Er ließ den Blick über die anderen Gäste schweifen. »Das ist nicht ganz meine gewohnte Umgebung.«
»Machen Sie sich keine Gedanken«, sagte Austin. »Die meisten Leute, die auf solche Empfänge gehen, interessieren sich nur für das Büfett und den Klatsch.«
»Ben war einverstanden, mich zu begleiten«, erklärte Therri. »Marcus dachte, es würde eventuell seinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen.«
»Hat es funktioniert?«
»Noch nicht«, antwortete Therri. »Und bei Ihnen? Haben Sie etwas in Erfahrung bringen können?«
»Ja«, sagte er mit mattem Lächeln. »Ich weiß jetzt, dass Sie nicht zuhören, wenn man Sie vor einer möglichen Gefahr warnt.«
»Das ist doch nichts Neues«, erwiderte Therri und klang dabei, als würde sie geduldig mit einem ungezogenen Kind sprechen. Austin bemerkte ihren herausfordernden Blick und kam zu dem Schluss, dass es reine Zeitverschwendung wäre, weiter auf sie einzureden.
»Ich will nach draußen und mir die Hundeschlittenrennen ansehen«, sagte er. »Kommen Sie beide mit?«
»Gern«, sagte sie und hakte sich bei Nighthawk ein.
»Wir wollten sowieso dorthin.«
Ein Angestellter des Museums wies ihnen den Weg.
Man hatte den Madison Drive gesperrt, damit die Zuschauer gefahrlos zur National Mall hinüberwechseln konnten. Es war ein herrlicher Abend. Am anderen Ende der
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