Tödliche Beute
den Mund mit dem Handrücken ab.
»Normalerweise wird er in Gläsern serviert, die kaum größer als Ihr Daumen sind. Ich dachte, in diesem Fall könnte etwas mehr nicht schaden. Was macht Ihre Verletzung?«
Austin berührte seine Rippen. Er konnte unter der Kleidung einen steifen Verband spüren, aber keinerlei Schmerz, auch nicht bei festerem Druck. Vor seinem inneren Auge blitzte noch einmal das weiße Messer auf und schnitt in sein Fleisch.
»Wie schlimm war es?«
»Einen Zentimeter tiefer und wir hätten Sie auf See bestatten können.« Die nüchterne Feststellung wurde von einem Grinsen begleitet.
»Es fühlt sich gut an.«
»Mein Schiffsarzt ist Fachmann für Wundbehandlungen.
Er hat Sie zusammengeflickt und die Naht vereist.«
Austin schaute sich im Raum um. Seine Erinnerung kehrte zurück. »Schiffsarzt? Das hier ist die blaue Jacht, nicht wahr?«
»Ganz recht. Ich heiße Balthazar Aguirrez. Dies ist mein Boot.«
Mit seinem mächtigen Brustkorb und den starken Händen sah Aguirrez eher wie ein Hafenarbeiter als wie der Eigentümer einer Jacht aus, die vermutlich mehrere Millionen Dollar wert war. Er hatte eine breite Stirn und dichte schwarze Augenbrauen über einer markanten Nase und einem großen, nach oben geschwungenen Mund, der stets zu lächeln schien. Sein Kinn glich einem Granitvorsprung, und seine Augen waren violettschwarz wie reife Oliven. Er trug den gleichen hellblauen Trainingsanzug, den man auch Austin überlassen hatte.
Auf seinem grau gesprenkelten Schopf saß keck über dem Ohr ein schwarzes Barett.
»Es freut mich, Sie kennen zu lernen, Mr. Aguirrez. Ich heiße Kurt Austin. Vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft.«
Aguirrez’ Händedruck war eisenhart.
»Keine Ursache, Mr. Austin. Wir freuen uns über Besuch.« Seine dunklen Augen funkelten belustigt.
»Allerdings kommen die meisten Leute auf etwas konventionellere Weise an Bord. Darf ich Ihnen noch einen Izarra anbieten?«
Austin lehnte dankend ab. Er wollte einen klaren Kopf behalten.
»Vielleicht nach dem Essen. Sind Sie hungrig?«
Seit seinem Frühstück aus Brot und Käse hatte Austins Appetit beträchtlich zugenommen. »Ja, da Sie es gerade erwähnen. Ich hätte nichts gegen ein Sandwich einzuwenden.«
»Ich wäre ein armseliger Gastgeber, wenn ich nichts Besseres als ein Sandwich anzubieten hätte. Falls Sie sich kräftig genug fühlen, würde ich Sie gern zu einer leichten Mahlzeit in den Salon bitten.«
Austin stemmte sich aus dem Liegestuhl und stellte sich hin. Er war noch immer ein wenig zittrig. »Es geht schon.«
»Prächtig«, sagte Aguirrez. »Nehmen Sie sich ruhig noch ein paar Minuten Zeit. Kommen Sie, wenn Ihnen danach ist.« Er stand auf und verließ die Kabine. Austin starrte die geschlossene Tür an und schüttelte den Kopf. Er fühlte sich immer noch leicht benebelt, und der Blutverlust machte ihm zu schaffen. Dann ging er ins Badezimmer und schaute in den Spiegel. Er sah aus wie sein eigener Großvater. Kein Wunder, wenn man nacheinander aufgeschlitzt, beschossen und in die Luft gejagt wurde. Er wusch sich das Gesicht, erst kalt, dann heiß. Ein elektrischer Rasierapparat lag bereit, also entfernte er sich die Bartstoppeln vom Kinn. Als er in die Kabine zurückkehrte, wurde er bereits erwartet.
Die einschüchternd wirkenden Stewards, die ihn zuvor schon begleitet hatten, standen bereit. Einer öffnete die Tür und ging voran, der andere bildete die Nachhut. Der kurze Spaziergang gab Austin Gelegenheit, die steifen Gelenke zu bewegen, und er gewann mit jedem Schritt an Stärke. Sie erreichten nun den Salon auf dem Hauptdeck.
Einer der Männer bedeutete Kurt, er möge eintreten. Dann zogen er und sein Begleiter sich zurück.
Austin betrat den Salon und hob die Augenbrauen. Er kannte Dutzende von Jachten und hatte mit dem üblichen Dekor gerechnet: Chrom, Leder und klare moderne Linien.
Der Salon der
Navarra
jedoch ähnelte einer südeuropäischen Bauernstube.
Wände und Decke waren mit eierschalenfarbenem Stuck überzogen, durch den grob behauene Holzbalken verliefen, und der Boden war rot gefliest. In einem großen steinernen Kamin brannte ein Feuer. Über dem Sims hing ein Gemälde, das Männer bei einem Ballspiel namens Jai Alai zeigte, einer Variante des Pelota. Austin ging weiter zu einem Stillleben mit zahlreichen Früchten und betrachtete soeben die Signatur, als eine tiefe Stimme fragte: »Interessieren Sie sich für Kunst, Mr. Austin?«
Aguirrez hatte sich geräuschlos
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