Tödliche Beute
Seine rudernden Hände bekamen ein Plastikrohr zu fassen, doch es brach, und er stürzte auf den Betonboden. Aus der beschädigten Leitung strömte Wasser. Kurt rappelte sich auf und nahm benommen wahr, dass über dem Tank ein rotes Licht blinkte. Er fluchte leise. Die Störung hatte einen Alarm ausgelöst.
Der Posten näherte sich bereits im Laufschritt. Austin duckte sich in den Spalt zwischen zwei Tanks und wäre fast über einige Röhren gestolpert. Der Wachmann lief an ihm vorbei und blieb stehen, als er die defekte Leitung sah. Austin nahm ein kurzes Metallrohr und trat vor. Der Mann musste seine Anwesenheit irgendwie gespürt haben, denn er wollte sich umdrehen und das Gewehr von der Schulter nehmen, aber da traf ihn auch schon das Rohr am Kopf, und er brach zusammen.
Nachdem die unmittelbare Bedrohung beseitigt war, wollte Austin im ersten Moment fliehen, beschloss dann aber, zuvor noch ein Ablenkungsmanöver zu versuchen.
Er benutzte das Rohrstück wie einen Hammer und zerschmetterte methodisch eine Reihe von Kunststoffleitungen, so dass immer mehr rote Warnleuchten aufblinkten und das Wasser sich am Boden zu einem kleinen Bach vereinte.
Dann lief er durch die Pfützen zur Tür. Das Rauschen des Wassers übertönte alle anderen Laute, und so hörte er nicht, dass ein zweiter Mann sich näherte. An einer Kreuzung zwischen zwei Tankreihen wären sie beinahe wie Zirkusclowns zusammengestoßen. Die Komik der Situation wurde noch verstärkt, als sie beide ausrutschten und zu Boden fielen. Doch Austin war nicht nach Lachen zumute, denn der Mann sprang schnell wieder auf und riss eine Pistole aus dem Gürtelholster.
Kurt schlug im Aufstehen mit dem Rohr zu, und die Waffe flog davon. Der Blick des Mannes weitete sich vor Erstaunen über Austins Schnelligkeit. Er griff unter das Hemd seiner schwarzen Uniform und zog ein Messer, dessen lange Klinge aus einem harten weißen Material gefertigt war. Dann wich er ein Stück zurück und duckte sich abwehrbereit. Austin hatte Gelegenheit, ihn etwas genauer zu mustern.
Der Fremde war etwa einen Kopf kleiner als er, aber seine muskulösen Schultern deuteten an, wie viel Kraft in dem stämmigen Körper steckte. Wie die anderen Wachen hatte auch er ein breites, rundes Gesicht mit Ponyfrisur und mandelförmigen Augen, die schwarz und hart wie Obsidian glänzten. Seine hohen Wangenknochen waren mit senkrechten Tätowierungen verziert. Unter der flachen Nase hatte er breite fleischige Lippen, die er nun zu einem Grinsen verzog, das keine Spur von Wärme, sondern nur Grausamkeit erkennen ließ.
Austin hatte keine Lust, sich auf einen Höflichkeitswettbewerb einzulassen. Die Zeit arbeitete gegen ihn. Jede Sekunde konnten weitere Wachposten auftauchen. Ihm blieb keine Wahl. Er musste diesen Mann ausschalten und hoffen, dass keine Verstärkung kam. Er umklammerte das Rohr mit festem Griff. Seine Augen mussten ihn verraten haben, denn der Mann sprang urplötzlich vor. Trotz seiner untersetzten Gestalt bewegte er sich mit der Flinkheit eines Skorpions. Austin hielt das Rohr wie einen Baseballschläger bereit, doch die Attacke kam zu überraschend, und so durchdrang der Messerhieb Pullover und Hemd. Kurt verspürte einen scharfen Schmerz an der linken Seite seines Brustkorbs, dann ein feuchtes Rinnsal.
Das Grinsen des Mannes wurde noch breiter, und die blutige Klinge hob sich zum nächsten Angriff. Er täuschte einen Ausfall nach links an. Austin reagierte instinktiv und schlug zu, als wolle er einen Homerun erzielen. Es ertönte ein widerliches Knirschen, denn das Rohr erwischte den Gegner genau auf der Nase und zerschmetterte Knochen und Knorpel. Blut spritzte wie aus einer Fontäne hervor.
Doch was war das? Nach einem Treffer, der einen Ochsen gefällt hätte, hielt dieser Kerl sich immer noch auf den Beinen. Dann aber trübte sich sein Blick, das Messer entglitt seinen schlaffen Fingern, und er brach zusammen.
Austin wollte zum Ausgang rennen, doch er hörte Schreie und duckte sich hinter einen Fischtank. Mehrere Wachposten platzten zur Tür herein und liefen auf die blinkenden roten Lichter zu. Kurt wagte sich ein Stück vor und vernahm aus Richtung des Hafens aufgeregte Stimmen. Er trat ins Freie, lief um das Gebäude herum und kehrte zu dem Komplex der anderen Zuchthallen zurück. Da die meiste Aufmerksamkeit den von ihm angerichteten Schäden galt, gelangte er problemlos bis in die Vorratshöhle.
Erleichtert stellte er fest, dass sich noch immer niemand hier aufhielt.
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