Tödliche Beute
Augen verfolgten, dass die Gestalt vom Fischerpier zu dem geparkten Wagen ging. Innerhalb weniger Sekunden könnte er seine Raketen abschießen oder das Ziel mit tödlichem Maschinengewehrfeuer beharken und so das Leben dieses lästigen Mannes auslöschen. Die schmalen Lippen verzogen sich zu einem unbarmherzigen Grinsen.
»Sollten wir Austin nicht lieber beseitigen, solange wir ihn noch im Visier haben?«
»Höre ich da etwa den Wunsch heraus, dich für die Beschädigung deiner kostbaren Nase zu rächen?« Die Stimme klang spöttisch und wartete gar nicht erst auf eine Antwort.
»Nun ja, eigentlich müsste ich ihn schon deswegen umlegen, weil er mir so viele Scherereien gemacht hat.
Hätte er die dänischen Seeleute sterben lassen, wäre die Aufmerksamkeit der Presse von Oceanus abgelenkt worden. Alle hätten sich voller Abscheu auf die SOS konzentriert.«
»Ich erledige das sofort –«
»
Nein!
Sei nicht ungeduldig. Wir dürfen dabei nicht mehr Aufsehen als unbedingt notwendig erregen.«
»Er wohnt in einem abgelegenen Ferienhaus. Das wäre der perfekte Ort. Wir könnten seine Leiche von einer Klippe werfen.«
»Also gut, leite alles in die Wege. Aber es muss wie ein Unfall aussehen. Austin darf seine Beobachtungen keinesfalls in alle Welt hinausposaunen. Unser Projekt befindet sich in einer kritischen Phase.«
»Ich kehre zur Basis zurück und weise unseren Männern ihre Aufgaben zu. Dann werde ich dafür sorgen, dass Austin einen sehr langsamen Tod erleidet, voller Angst und Schmerzen, während das Leben aus seinem Körper weicht, so dass –«
»Nein. Jemand anders soll sich darum kümmern. Mit dir habe ich etwas Besseres vor. Du musst auf der Stelle nach Kanada abreisen und unsere Prototypen sicher dorthin verfrachten. Dann begibst du dich nach Washington und eliminierst den Senator, der unserem Gesetz im Wege steht. Eine Tarnung für dich und deine Männer ist bereits organisiert.«
Der Pilot schaute sehnsüchtig auf den Monitor und berührte den weichen Brei, der einmal seine Nase gewesen war. »Wie Sie wünschen«, sagte er widerwillig.
Er ließ den Helikopter abdrehen und kehrte mit Höchstgeschwindigkeit zum alten Hafen zurück.
Austin hatte keine Ahnung, wie knapp er dem Tode entronnen war. Er saß hinter dem Steuer von Professor Jorgensens Volvo und erwog seine nächsten Schritte. Die einsame Lage seiner Unterkunft war ihm bewusst. Er blickte auf die warmen Lichter der Stadt. Dann nahm er seine Reisetasche und stieg aus. Auf dem Weg durch das Dorf begegnete ihm keine Menschenseele. Schließlich erreichte er das Haus hinter der Kirche.
Pia öffnete ihm strahlend die Tür und bat ihn herein.
Offenbar sah man ihm die Strapazen des Tages deutlich an, denn als er ins Licht trat, verschwand ihr Lächeln.
»Geht es Ihnen gut?«, fragte sie besorgt.
»Ein Schluck Aquavit könnte nicht schaden.«
Sie scheuchte ihn mit fürsorglicher Geste zum Küchentisch, goss ihm ein großes Glas Aquavit ein und sah ihm beim Trinken zu. »Und?«, fragte sie schließlich.
»Haben Sie viele Fische gefangen?«
»Nein, aber ich habe die Meerjungfrauen besucht.«
Pia lachte laut auf, klatschte in die Hände und schenkte ihm reichlich nach. »Ich
wusste
es!«, rief sie aufgeregt.
»Und waren die Höhlen so wundervoll, wie mein Vater behauptet hat?«
Austin beschrieb ihr, wie er bei nachlassender Strömung durch das Nixentor und weiter in das Höhlenlabyrinth vorgedrungen war. Sie lauschte ihm andächtig wie ein Kind. Als er erzählte, dass er gern länger geblieben wäre, aber von bewaffneten Posten verjagt worden sei, stieß sie einen imposanten Fluch auf Färöisch aus. »Sie können heute Abend nicht in Ihr Haus zurückkehren. Gunnar sagt zwar, er würde nicht für diese Leute arbeiten, aber ich bin da anderer Meinung.«
»Das habe ich mir auch schon überlegt. Der Wagen steht noch am Fischerpier. Vielleicht sollte ich Skaalshavn lieber verlassen.«
»Um Gottes willen, nein! Sie würden von der Straße abkommen und ins Meer stürzen. Nein, Sie bleiben über Nacht hier und brechen morgen in aller Frühe auf.«
»Sind Sie sicher, dass Sie nächtlichen Männerbesuch wünschen? Die Leute werden anfangen zu reden«, stellte Austin grinsend fest.
Sie grinste zurück, und in ihren Augen funkelte kindlicher Übermut. »Das will ich doch schwer hoffen.«
Kurz vor Tagesanbruch wachte Austin auf und erhob sich vom Sofa. Pia hörte ihn und stand ebenfalls auf, um ihm Frühstück zu machen. Es gab ein riesiges
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