Tödliche Beute
vereinen.«
»Was ist aus Aguirrez und den Reliquien geworden?«
»Sie sind allesamt verschwunden. Ich kann mich nicht entsinnen, je von einem Schiffbruch gelesen zu haben.
Darf ich fragen, wieso Sie sich für dieses Thema interessieren?«
»Ich habe einen Nachkommen von Diego Aguirrez kennen gelernt. Er reist auf den Spuren seines Urahns, aber von heiligen Reliquien hat er kein Wort gesagt.«
»Das überrascht mich nicht. Die baskischen Separatisten verüben in Spanien auch heute noch Anschläge. Es ist kaum vorstellbar, was geschehen würde, falls ihnen dermaßen mächtige Objekte in die Hände fielen.«
»Können Sie sich sonst noch an etwas im Zusammenhang mit Aguirrez erinnern?«
»Nicht auf Anhieb. Sobald ich zu Hause bin, wühle ich ein wenig in meinen Büchern.« Perlmutter besaß eine der weltweit besten Seefahrtbibliotheken. »Ich kehre in ein paar Tagen nach Georgetown zurück. Aber vorher mache ich einen Abstecher nach Mailand.«
»Sie waren wie immer eine große Hilfe. Bis demnächst also.
Buon appetito.
«
»
Grazie
«, sagte Perlmutter und unterbrach die Verbindung. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Festmahl zu. Er wollte sich soeben einem Teller marinierter Artischockenherzen widmen, als sein Gastgeber, dem sowohl die Villa als auch die umliegenden Ländereien gehörten, mit der Flasche Wein zurückkam, die er aus dem Keller geholt hatte.
Der Mann erschrak. »Sie haben Ihr Essen ja noch gar nicht angerührt. Sind Sie krank?«
»Aber nein, Signore Nocci. Ich wurde durch einen Anruf und eine Frage historischer Natur unterbrochen.«
Der grauhaarige Italiener nickte. »Vielleicht wird ein Happen von dem
cinghiale
, dem Wildschwein, Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen. Die Trüffel in der Soße stammen aus meinen Wäldern.«
»Ein großartiger Vorschlag, mein Freund.« Nachdem nun der Damm gebrochen war, ließ Perlmutter es sich mit dem üblichen Genuss schmecken. Nocci hielt seine Neugier während der Mahlzeit höflich im Zaum. Erst als sein Gast sich den kleinen Mund abtupfte und die Serviette beiseite legte, brachte der Italiener das Thema zur Sprache.
»Ich bin Amateurhistoriker«, sagte Nocci. »Wenn man in einem Land voller Überbleibsel zahlloser Kulturen lebt, erwacht dieses Interesse ganz automatisch. Womöglich kann ich Ihnen bei Ihrer Frage behilflich sein.«
Perlmutter schenkte sich noch ein Glas des 1997er Chianti ein und berichtete von Austins Anruf. Der Italiener neigte den Kopf. »Über diesen Basken weiß ich nichts, aber Ihre Geschichte lässt mich an etwas denken, das ich bei Nachforschungen in der Biblioteca Laurenziana entdeckt habe.«
»Ich habe das Archiv vor vielen Jahren selbst einmal besucht. Die Manuskripte waren faszinierend.«
»Mehr als zehntausend Meisterwerke«, sagte Nocci und nickte. »Wie Sie wissen, wurde die Bibliothek von der Familie Medici gegründet, um ihre kostbare Handschriftensammlung aufzunehmen. Ich habe eine Arbeit über Lorenzo den Prächtigen verfasst, die ich hoffentlich eines Tages veröffentlichen kann, obwohl ich bezweifle, dass jemand sie lesen wird.«
»Seien Sie versichert,
ich
werde sie lesen«, versprach Perlmutter feierlich.
»Dann hat meine Mühe sich schon gelohnt«, erwiderte Nocci. »Wie dem auch sei, bei wissenschaftlichen Recherchen besteht immer die Gefahr, vom eigentlichen Gegenstand abzuschweifen, und so bin ich auf einen Text über den Medici-Papst Leo X. gestoßen. Nachdem 1516 König Ferdinand gestorben war, sah sein siebzehnjähriger Nachfolger Karl V. sich Leos Bestreben ausgesetzt, die Macht der Inquisition einzuschränken, getreu der großen humanistischen Tradition der Medici. Karls Berater überzeugten den jungen König jedoch davon, dass die Inquisition für den Erhalt seiner Regentschaft unentbehrlich sei, und so dauerten die Drangsalierungen noch weitere dreihundert Jahre an.«
»Ein trauriges Kapitel der Menschheitsgeschichte. Es ist tröstlich zu wissen, dass Aguirrez den Mut zum Widerstand aufbrachte, aber die dunklen Mächte sind stark.«
»Und keine war dunkler als ein Spanier namens Martinez. In einem Brief an den König drang er auf Unterstützung der Inquisition und eine Ausweitung ihrer Befugnisse. Soweit ich es ermitteln konnte, wurde dieses Schreiben Leo zur Stellungnahme vorgelegt und mit den anderen Unterlagen des Papstes in der Bibliothek archiviert.« Er schüttelte den Kopf. »Es handelt sich um die fanatische Hetzschrift eines Ungeheuers. Martinez hasste die Basken und
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