Tödliche Beute
sprengen immer wieder mal ein öffentliches Gebäude in die Luft oder ermorden einen unschuldigen Regierungsvertreter.«
»Ja, das ist eine ganz gute Zusammenfassung«, sagte Perez. »Seit vielen Jahrzehnten wird über einen eigenen Baskenstaat diskutiert, der Teile von Spanien und Frankreich beanspruchen würde. Die radikalste Separatistengruppe, die ETA, hat schon 1968 den bewaffneten Kampf aufgenommen. Nach Francos Tod im Jahr 1975 hat die neue spanische Regierung den Basken mehr politischen Einfluss zugestanden, aber die ETA akzeptiert keine Teillösungen. Inzwischen haben die Terrorakte mehr als achthundert Opfer gekostet. Jeder, der nicht für die ETA ist, gilt als Feind.«
»Leider ereignet sich diese Geschichte immer wieder und überall auf der Welt.«
»Der politische Arm der Separatistenbewegung ist die Batasuna-Partei. Sie wurde bisweilen mit der Sinn Fein verglichen, der öffentlichen Vertretung der IRA. Nachdem es in letzter Zeit vermehrt Anschläge gab und ein großes Waffenlager der ETA entdeckt wurde, hat die spanische Regierung massive Gegenmaßnahmen ergriffen. Die eingeschränkte Autonomie wurde widerrufen, die Batasuna verboten und gegen die gesamte Separatistenbewegung scharf durchgegriffen.«
»Wie passt Aguirrez in dieses blutige kleine Bild?«
»Dein Verdacht hat dich nicht getrogen, hinter dem Mann steckt tatsächlich mehr. Er ist einer der größten Geldgeber der Batasuna. Die Regierung hat ihm vorgeworfen, er würde den Terrorismus finanzieren.«
»Ich mochte den Mann. Er sah nicht wie ein Terrorist aus«, erwiderte Austin und musste an das freundliche und zuvorkommende Verhalten seines Wohltäters denken.
»Sicher, und Joe Stalin sah aus wie ein lieber Großvater.«
Austin erinnerte sich an die bedrohlich wirkende Besatzung und die schweren Waffen, mit denen die Jacht ausgestattet war. »Ist die Anschuldigung berechtigt?«
»Er gibt offen zu, die Batasuna finanziell unterstützt zu haben, betont aber, dass es sich zu jenem Zeitpunkt noch um eine rechtmäßige Partei gehandelt hat. Die Behörden vermuten, dass er die Bewegung auch weiterhin mit Geld versorgt. Es gibt keine eindeutigen Beweise, und Aguirrez hat viel zu gute Beziehungen, als dass man ihn mit einer so wackligen Anklage vor Gericht stellen könnte.«
»Wie schätzt du den Kerl ein?«
»Ich habe viele Jahre in Spanien gelebt und ihn nie persönlich kennen gelernt. Deshalb war ich vorhin so überrascht, als du euer Treffen erwähnt hast. Ich glaube, er vertritt eine gemäßigte Position und würde eine friedliche Autonomielösung befürworten, aber die Morde der ETA haben sein Anliegen untergraben. Er fürchtet, dass die Gegenmaßnahmen der Regierung den Konflikt wieder entfachen und unschuldige Bürger gefährden werden. Er könnte Recht behalten.«
»Das klingt, als würde er auf einem sehr schmalen Grat balancieren.«
»Manche Leute behaupten, der stetige Druck habe ihn zerrüttet. Er hat von einer Möglichkeit gesprochen, die öffentliche Meinung in Europa zugunsten einer Baskennation zu beeinflussen. Hat er dir gegenüber angedeutet, was das sein könnte?« Perez’ dunkle Augen verengten sich. »Ihr habt euch doch bestimmt nicht nur übers Angeln unterhalten.«
»Ich hatte den Eindruck, dass er sehr stolz auf seine baskische Abstammung ist – seine Yacht heißt
Navarra
.
Er hat kein Wort über Politik verloren. Unser Thema war vor allem die Archäologie. Er ist Amateurforscher und interessiert sich für die eigenen Vorfahren.«
»Bei dir klingt das, als wäre er so eine Art zerstreuter Professor. Lass mich dich warnen, alter Freund. Die spanische Polizei möchte ihn liebend gern festnageln.
Bislang kann man ihn nicht direkt mit den Terroranschlägen in Verbindung bringen, aber sobald entsprechende Beweise vorliegen, solltest du den Leuten besser nicht in die Quere kommen.«
»Ich werde es nicht vergessen. Danke für deine Hilfe.«
»Ach, Kurt, das ist doch das mindeste, was ich für einen früheren Waffenbruder tun kann.«
Bevor Perez die Gelegenheit nutzen konnte, um abermals in Erinnerungen zu schwelgen, warf Austin einen Blick auf die Uhr. »Ich muss los. Nochmals vielen Dank.«
»Keine Ursache. Lass uns mal zusammen zu Mittag essen. Du fehlst uns hier. Die hohen Tiere sind immer noch sauer, dass Sandecker dich zur NUMA geholt hat.«
Austin stand auf. »Vielleicht arbeiten wir eines Tages ja an einem gemeinsamen Auftrag.«
Perez lächelte. »Das wäre prima«, sagte er.
Der Washingtoner
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