Toedliche Blumen
aufdringlicher als zuvor war. Er würde demnächst wieder bei ihnen einziehen. Mama und Gunnar hatten es gemeinsam entschieden, und das war auch gut so, wie Mama sich ausdrückte. Denn dann würde Gunnar ihr helfen können, sich um Viktoria zu kümmern. Mama war dermaßen verzweifelt gewesen, als Viktoria weg war, dass sie dringend ein wenig Unterstützung benötigte. Und dieser Johansson war leider doch nicht ihr Vater, wie sich herausgestellt hatte. Was sie eigentlich ziemlich schade fand, denn er war viel lustiger als Gunnar.
All diese Gedanken wirbelten ihr in ihrem Sessel im Verhörraum durch den Kopf. Manchmal fragte sie sich, ob die Polizistin eigentlich davon ausging, dass sie log. Denn sonst hätte sie ja nicht andauernd die gleichen schrecklichen Fragen gestellt.
»Gehst du jetzt wieder in die Schule?«
»Ja.«
»Und, gefällt es dir?«
»Ja.«
»Was habt ihr denn heute gemacht?«
»Nichts Besonderes. Zum Mittagessen gab es Fleischbällchen. Und danach bin ich mit zu Lina gegangen. Bei ihr zu Hause ist es lustig. Später kam Gunnar und holte mich ab und brachte mich hierher.«
Die freundliche Polizistin, die Louise hieß, nickte.
»Obwohl Gunnar nicht mein Papa ist und ich froh darüber bin.«
Louise kommentierte ihre Aussage nicht. Wartete.
»Denn er ist überhaupt nicht nett … aber er besitzt immerhin ein Auto.«
Louise spürte eine gewisse Zerrissenheit, versuchte jedoch, sie nicht offen zu zeigen. Ihre Intuition ließ sie plötzlich aufhorchen. War sie denn bisher blind gewesen, dass sie das Mädchen nur auf ihre Entführung angesprochen hatte? »Aha«, tastete sich Louise vor. »Du findest also, dass Gunnar nicht nett ist?«
Viktoria erforschte ihren Blick, versuchte herauszulesen, wie vertrauenswürdig sie war.
»Nein«, antwortete sie dann und schlug die Augen nieder.
Die Videokamera lief. Irgendwo im Gebäude ertönte ein dumpfer Knall.
»Er keucht immer so«, murmelte sie. »Und hört einfach nicht auf, kümmert sich überhaupt nicht um mich … macht einfach weiter.«
Viktoria musterte Louise erneut mit ihrem Blick.
»Er ist nicht gut zu dir, meinst du?«, fasste Louise zusammen und achtete darauf, nicht auszuweichen.
»Manchmal ist er schon gut zu mir«, räumte Viktoria ein. »Zum Beispiel fährt er mich hierher, weil Mama kein Auto hat.«
»Aber vielleicht ist er nicht immer gut zu dir?«
Viktoria verkroch sich in ihren Sessel und schaute auf ihre abgekauten Fingernägel. Hob dann den Blick wieder. Zum ersten Mal nach allen vorangegangenen Verhören weinte sie, während sie stumm den Kopf schüttelte.
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