Tödliche Geschäfte
würde er sie verfolgen, und dieses Mal würde er vorsichtiger sein. Dann würde er sie erschießen.
»Du wirst schon sehen, Mom«, sagte er zu der Gefriertruhe. »Du wirst schon sehen.«
Janet hatte recht gehabt, obwohl Sean das nicht zugeben wollte. Vor allem die winzigen Tassen kubanischen Kaffees hatten ihn wieder munter gemacht. Er hatte sogar versucht, sie so zu trinken wie die Leute am Nachbartisch, in einem Schluck wie kleine Schnäpse, damit die starke, süße Flüssigkeit wie ein Koffeinklumpen in seinen Magen plumpste. Der Geschmack war sehr intensiv, und fast sofort hatte sich eine milde Euphorie eingestellt.
Zum anderen war es Janets positive Einstellung gewesen, die ihn aus seiner Trübsinnigkeit gerissen hatte. Trotz ihres schweren Tages und dem Zwischenfall im Miami General Hospital hatte sie noch die Kraft, gut gelaunt zu bleiben. Sie erinnerte Sean daran, daß sie in zwei Tagen schon ziemlich weit gekommen waren. Sie hatten dreiunddreißig Krankenakten ehemaliger Medulloblastom-Patienten, und es war ihr gelungen, zwei Fläschchen des Geheimmedikaments zu beschaffen.
»Ich finde, daß das ziemlich gute Fortschritte sind«, sagte Janet. »Wenn wir so weitermachen, kommen wir dem Geheimnis der erfolgreichen Forbes-Therapie bestimmt auf den Grund. Komm schon, mach nicht so ein Gesicht! Wir können es schaffen!«
Janets Begeisterung und das Koffein überzeugten Sean schließlich.
»Wir sollten herausfinden, wo dieses Bestattungsinstitut Emerson liegt«, sagte er.
»Warum?« fragte Janet, deren Mißtrauen sofort wieder erwachte.
»Wir können doch einfach mal vorbeifahren«, sagte Sean. »Vielleicht arbeiten sie noch spät, und wir bekommen dort unsere Proben.«
Das Bestattungsinstitut lag an der North Miami Avenue unweit des städtischen Friedhofs und des Biscayne Parks. Es war ein gut erhaltenes, zweistöckiges, viktorianisches Schindelhaus mit Mansardenfenstern. Es war weiß gestrichen, hatte ein graues Schieferdach und war auf drei Seiten von einer breiten Rasenfläche umgeben. Es sah aus, als sei es früher einmal ein Privathaus gewesen.
Die übrige Nachbarschaft war weniger einladend. Die unmittelbar angrenzenden Gebäude waren schmucklose Betonkästen, auf der einen Seite ein Schnapsladen, auf der anderen ein Sanitärbedarfshandel. Sean parkte direkt vor dem Haus in einer Ladezone.
»Ich glaube nicht, daß die noch geöffnet haben«, sagte Janet und betrachtete das Gebäude.
»Brennt doch fast überall Licht«, sagte Sean. Mit Ausnahme der Außenbeleuchtung waren im Erdgeschoß sämtliche Lichter an, während der erste Stock in völliger Dunkelheit lag. »Ich glaube, ich werd es mal versuchen.«
Sean stieg aus dem Wagen und die Treppe hoch und klingelte. Als niemand öffnete, spähte er durch die Fenster. Er ging sogar ums Haus herum und warf einen Blick durch die Seitenfenster, bevor er zum Wagen zurückkehrte, einstieg und den Motor anließ.
»Wohin fahren wir jetzt?« fragte Janet.
»Zurück zu dem Home-Depot-Laden«, sagte Sean. »Ich brauche weitere Werkzeuge.«
»Das gefällt mir aber gar nicht«, sagte Janet.
»Ich kann dich bei deiner Wohnung absetzen«, schlug Sean vor.
Janet sagte nichts. Zunächst fuhr Sean zu der Wohnung in Miami Beach. Dort angekommen hielt er am Straßenrand. Er und Janet hatten die ganze Fahrt über kein Wort gewechselt.
»Was genau hast du vor?« fragte sie schließlich.
»Ich werde meine Suche nach Helen Cabot fortsetzen«, erwiderte Sean. »Es wird nicht lange dauern.«
»Hast du etwa vor, in dieses Bestattungsinstitut einzubrechen?« fragte Janet.
»Ich werde kurz mal reinschauen«, sagte Sean, »das hört sich besser an. Ich will bloß ein paar Proben. Und im schlimmsten Fall ist es auch nicht so schlimm, oder? Sie ist schließlich schon tot.«
Janet zögerte. Sie hatte die Tür schon geöffnet und stand mit einem Fuß auf dem Gehsteig. So verrückt Seans Plan auch war, bis zu einem gewissen Punkt fühlte sie sich verantwortlich. Wie Sean bereits des öfteren betont hatte, war das ganze Unternehmen ursprünglich ihre Idee gewesen. Außerdem hatte sie das Gefühl, sie würde verrückt werden, wenn sie allein in ihrem Apartment saß und auf seine Rückkehr wartete. Sie zog den Fuß zurück in den Wagen und erklärte Sean, daß sie ihre Meinung geändert hätte und mitkommen wollte.
»Als deine Stimme der Vernunft«, sagte sie.
»Von mir aus«, sagte Sean gleichmütig.
In dem Home-Depot-Laden kaufte er einen Glasschneider, einen
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