Tödliche Geschäfte
schlägt alles andere um Längen. Erinnere mich daran, daß ich hier auf gar keinen Fall mein praktisches Jahr mache.«
Schließlich berührten sich ihre suchenden Hände. Aneinandergeklammert bahnten sie sich zwischen den Rollwagen einen Weg in Richtung Tür. Dabei stieß Sean mit dem Fuß gegen eine am Boden liegende Leiche. Er warnte Janet, damit sie darübersteigen konnte.
»Ich werde bis an mein Lebensende Alpträume davon haben«, sagte Janet.
»Das ist schlimmer als Stephen King«, bestätigte Sean.
Dann stieß er gegen die Wand und tastete sich von dort zur Tür vor. Er drückte sie auf, und beide stolperten, ins Licht blinzelnd, in den verlassenen Flur.
Sean legte seine Hände um Janets Kopf. »Es tut mir leid«, sagte er.
»Mit dir ist das Leben zumindest nie langweilig«, gab sie zurück. »Es war ja nicht deine Schuld, und außerdem haben wir’s überlebt. Laß uns sehen, daß wir hier rauskommen.«
Sean küßte sie auf die Nasenspitze. »Absolut meine Meinung«, sagte er.
Die verhaltene Sorge, sie würden den Weg zurück zu den Fahrstühlen möglicherweise nicht finden, erwies sich als unbegründet. Wenige Minuten später stiegen sie in Seans Jeep und steuerten die Ausfahrt des Parkplatzes an.
»Mein Gott, bin ich erleichtert«, sagte Janet. »Hast du eine Ahnung, was da los war?«
»Nicht im geringsten«, erwiderte Sean. »Es war alles so seltsam. Als ob es inszeniert gewesen wäre, nur um uns zu Tode zu erschrecken. Vielleicht lebt in dem Keller ein Troll, der jedem Besucher diesen Streich spielt.«
Als sie den Parkplatz gerade verlassen wollten, bremste Sean so plötzlich, daß Janet sich am Armaturenbrett abstützen mußte.
»Was ist jetzt wieder?« fragte sie.
Sean zeigte mit dem Finger auf ein Gebäude. »Schau mal, was wir da haben. Wie günstig«, meinte er. »Dieser Ziegelbau ist das Büro des Gerichtsmediziners. Ich hatte keine Ahnung, daß es so nah ist. Das muß das Schicksal sein, das uns sagt, daß Helens Leiche dort liegt. Was meinst du?«
»Versessen bin ich nicht auf die Idee«, gestand Janet. »Aber wo wir schon mal hier sind…«
»Das ist die richtige Einstellung«, lobte Sean.
Er parkte auf dem Besucherparkplatz, und sie betraten das moderne Gebäude und gingen auf einen Informationsschalter zu. Eine freundliche schwarze Frau fragte, ob sie ihnen behilflich sein könnte.
Sean erklärte, daß er Medizinstudent sei und Janet Krankenschwester, und bat, einen der Gerichtsmediziner zu sprechen.
»Welchen?« fragte die Empfangssekretärin.
»Wie wär’s mit dem Direktor?« schlug Sean vor.
»Der Chef ist nicht da«, sagte die Frau. »Wie wär’s mit seinem Stellvertreter?«
»Perfekt«, erwiderte Sean.
Nach kurzem Warten wurden sie durch eine Glastür gelassen und zu einem Eckbüro gewiesen, in dem der stellvertretende Direktor Dr. John Stasin residierte. Er war etwa so groß wie Sean, jedoch deutlich schmächtiger. Er schien aufrichtig erfreut, Sean und Janet zu sehen.
»Die Lehre ist eine unserer wichtigsten Tätigkeiten«, erklärte er stolz. »Und wir ermutigen sämtliche Mediziner und Mitarbeiter des Pflegepersonals, ein aktives Interesse an unserer Arbeit zu zeigen.«
»Wir sind an einer ganz bestimmten Patientin interessiert«, sagte Sean. »Ihr Name ist Helen Cabot. Sie ist heute nachmittag in der Notaufnahme des Miami General Hospital gestorben.«
»Der Name sagt mir nichts«, erklärte Dr. Stasin. »Einen Moment bitte, ich werde rasch unten nachfragen.« Er nahm den Hörer ab, erklärte, worum es ging, und nannte Helens Namen, dann nickte er und sagte ein paarmal »Ja«, bevor er wieder auflegte. Das Ganze ging unglaublich schnell vonstatten. Offensichtlich kam es nicht vor, daß in Dr. Stasins Verantwortungsbereich irgend etwas Schimmel ansetzte.
»Sie ist vor ein paar Stunden eingetroffen«, erklärte er. »Aber wir werden sie nicht obduzieren.«
»Warum nicht?« fragte Sean.
»Aus zwei Gründen«, erwiderte Dr. Stasin. »Erstens. hatte sie erwiesenermaßen einen Hirntumor, was auch ihr behandelnder Arzt zu bestätigen bereit ist. Zweitens hat ihre Familie den dringenden Wunsch geäußert, von einer Obduktion abzusehen. Unter diesen Umständen halten wir es für besser, es seinzulassen. Entgegen landläufiger Meinung gehen wir nach Möglichkeit auf die Wünsche der Familie ein, es sei denn, es liegen Indizien für ein Gewaltverbrechen oder Anhaltspunkte dafür vor, daß dem öffentlichen Wohl mit einer Autopsie gedient wäre.«
»Besteht die
Weitere Kostenlose Bücher