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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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debattierten: Lonnies Partner John Ives hatte darauf gedrungen, dass die Kanzlei seine Nichte Jeniffer als Empfangsdame einstellte, als die Stelle frei wurde. Jeniffer war achtzehn Jahre alt und hatte gerade ihren High-School-Abschluss gemacht. Es war ihr erster Job, und obwohl man ihr eine ausführliche, schriftliche Stellenbeschreibung gegeben hatte, schien ihr völlig schleierhaft zu sein, was von ihr erwartet wurde. Sie kam in T-Shirt und Minirock zur Arbeit, das lange blonde Haar offen über den Rücken fallend, mit nackten Beinen und die Füße in hölzernen Clogs. Ihre Telefonstimme war quietschvergnügt, ihre Rechtschreibung katastrophal, und sie schaffte es einfach nicht, pünktlich zu kommen. Außerdem nahm sie sich immer wieder zwei bis vier Tage frei, wenn ihre arbeitslosen Freunde loszogen und Party machten. Ida Ruth und Jill waren restlos entnervt, weil sie ihre Arbeit dann mit übernehmen mussten. Beide jammerten mir die Ohren voll, da sie offenbar Hemmungen hatten, sich bei Lonnie oder John zu beschweren. Bürotratsch hat mir nie besonders behagt, und so war dies ein weiterer Grund dafür, dass ich gute Lust hatte, mir neue Räume zu suchen. Platte mir früher die familiäre Atmosphäre gefallen, die in der Kanzlei herrschte, so sah ich jetzt nur noch die eskalierenden Psychodramen. Jeniffer war eine Art Aschenputtel mit verkümmertem IQ. Ida Ruth und Jill verhielten sich wie die boshaften Stiefschwestern und troffen ihr gegenüber vor Freundlichkeit, nahmen aber jede Gelegenheit wahr, hinter ihrem Rücken über sie zu lästern. Ich weiß nicht genau, welche Rolle ich dabei spielte, aber ich bemühte mich, mich nicht in die Sache hineinziehen zu lassen, indem ich mich in meinem Zimmer verbarrikadierte. Zweifellos war ich auch nicht geschickter im Lösen von Konflikten als alle anderen.
    Um eine Fluchtmöglichkeit zu haben, rief ich beim Polizeirevier von Santa Teresa an und fragte, ob ich Detective Odessa sprechen könne. Er war in einer Besprechung, doch die Frau, die meinen Anruf entgegennahm, sagte mir, dass er bald fertig wäre. Ich vereinbarte einen Termin für halb elf. Dann füllte ich einen vorgedruckten Vertrag aus, schob ihn in einen Express-Mail-Umschlag, den ich an Fiona unter Melanies Privatanschrift in San Francisco adressierte. Das Ganze steckte ich in meine Handtasche und setzte mich dann an den Schreibtisch, wo ich zwischen mehreren Runden Patience tiefgründige Krakel auf meine Unterlage malte. Nicht, dass ich nicht tonnenweise andere Arbeit gehabt hätte, aber ich merkte, dass mich die Daten ablenkten, die mir ständig durch den Kopf gingen. Schließlich zog ich einen Aktendeckel und einen großen Schreibblock hervor und begann mir Notizen zu machen.
    Um fünf vor halb elf schloss ich meine Tür zu und ging erst zum Postamt gegenüber und dann weiter zum Polizeirevier, das vier Blocks entfernt lag. Die Morgenluft war kühl, und das blasse Sonnenlicht von vorher hatte nachgelassen, während sich der Himmel zuzog und baldigen Regen ankündigte. Die Regensaison in Santa Teresa ist unberechenbar: Früher begannen die stoßweisen Phasen massiver Niederschläge Mitte Januar und hielten mehr oder weniger bis Anfang März an. Neuerdings haben extreme Wetterbedingungen in anderen Gegenden der Welt zu sprunghaften Abweichungen geführt. Von Ende Mai bis Oktober kann man die Regenmenge zwar immer noch in Millimetern messen, aber die Wintermonate sind nun wechselhaft, und dieser November wollte offenbar einer der nassesten seit Jahren werden. Eine Kaltfront näherte sich von Alaska und kündigte sich durch einen schneidenden Wind an. Die Äste der Bäume bewegten sich ruhelos, bogen sich und knackten, während ausgetrocknete Palmwedel abbrachen und wie Besen über die Gehsteige fegten.
    Die Eingangshalle des Polizeireviers wirkte im Vergleich dazu gemütlich. Zu meiner Linken saß ein kleiner Junge wartend auf einer hölzernen Bank, während sein Vater mit einem Beamten in Zivil einen Unfallbericht besprach. Ich trat an den L-förmigen Tresen, wo ein uniformierter Beamter den Kundenverkehr abwickelte, und sagte ihm, dass ich einen Termin hätte, was er telefonisch an Detective Odessas Platz weitergab. »Er kommt gleich«, versicherte er mir.
    Ich wartete an Ort und Stelle und sah beiläufig zum Einwohneramt hinüber. Meine Freundin Emerald war vorzeitig in den Ruhestand gegangen, und nun hatte ich keine Verbündete mehr, die mir unter der Hand Informationen zuschob. Sie hatte zwar nie direkt

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