Tödliche Jagd
Schuß, das Pony bäumte sich auf und stürzte zu
Boden. Es gelang mir, das AK in den Händen, mich abzurollen, und
dann sah ich in dem sich lichtenden Rauch sieben oder acht Reiter auf
der Flanke des Hügels, im selben Augenblick aber auch noch etwas
anderes, nämlich drei Siebe-Martin-Kampfhubschrauber, die im
Tiefflug aus dem Regen über dem Meer auftauchten.
Hilary Vaughan und seine »Kavallerie«
trafen ein, doch zu spät für Ellis Jackson. Die Reitergruppe
fächerte sich auf und galoppierte auf mich zu. Ich schoß,
immer noch auf dem Boden liegend, ungefähr das halbe Magazin
ungezielt auf sie ab; die Schüsse ließen Erdfontänen
aufsteigen, die die Ponys zumindest einen Moment lang irritierten, so
daß ich Zeit hatte aufzustehen. Wenn ich es in den Wald schaffen
würde, hätte ich noch eine kleine Chance; ich rannte los,
doch die Reiter waren schneller.
Einer schnitt mir den Weg ab; ich schoß im
Laufen aus der Hüfte und muß ihn getroffen haben, denn er
sank im Sattel zusammen. Ich schlug einen Haken nach links und
erschoß einen anderen aus kürzester Entfernung, den ich
gerade noch aus dem Augenwinkel auf mich zukommen sah.
Ich hatte noch einige Schuß im
Magazin, die ich mir aufsparen wollte, denn als die übrigen sechs
Reiter mich wieder in Richtung auf den Rand der Klippen
zurückdrängten, sah ich, daß nur einer, vermutlich der,
der mein Pony erschossen hatte, mit einem Gewehr bewaffnet war.
Die anderen hatten nur die langen Schwerter mit dem
Elfenbeingriff unter der linken Achsel; alle trugen gelbe Gewänder
mit weiten Ärmeln und das Todesband um die Stirn.
Der mit dem Gewehr warf es weg, sprang aus dem Sattel,
zog sein Schwert und hob es in Kendo-Manier hoch über den Kopf.
Im zarten Alter von vierzehn Jahren hatte ich im
Rahmen der vormilitärischen Ausbildung an meiner Schule erstmals
ein Gewehr mit Bajonett in der Hand gehabt. Die Militärakademie,
Benning, Nahkämpfe in den Schützengräben von Do San
– ich wußte jedenfalls, wie man damit umgeht, hatte
genügend Erfahrungen gesammelt.
Mein Gegner drehte mir den Rücken zu und nahm die
Grundstellung ein – eigentlich alles nur Schau. Dann stieß
er einen lauten Schrei aus und versuchte, mich mit einem einfachen do zu
treffen. Ich parierte den Hieb mit Leichtigkeit und ging selbst zum
Angriff über. Er wich einen Schritt zurück, drehte mir,
gefangen in den durch jahrelanges Training erworbenen automatischen
Bewegungsabläufen, den Rücken zu und wollte erneut die
Grundstellung einnehmen, doch ich war schneller und stieß ihm das
Bajonett unterhalb des Schulterblattes bis ins Herz. Er war sofort tot;
ich feuerte eine kurze Salve ab, die letzten Schüsse im Magazin,
wie sich herausstellte, und die Wucht der Kugeln riß ihn vom
Bajonett los.
Ich hatte keine Zeit zum Nachladen, denn seine
Begleiter blieben nur eine Schrecksekunde in den Sätteln sitzen,
sprangen dann von den Ponys und zogen die Schwerter.
Fünf gegen einen. Eine schier
unlösbare Aufgabe, sogar für den kleinen Ellis Jackson,
obwohl ich es bei diesen verrückten Kerlen durchaus für
möglich hielt, daß mir einer nach dem anderen entgegentrat.
Ich sollte nicht erfahren, ob sie es tatsächlich getan
hätten, denn ein Schrei gellte durch den Morgen: St. Claire kam
den Hügel heruntergaloppiert und hielt sein Pony neben den anderen
an.
Die Mönche zögerten, wandten sich zu ihm um, als
erwarteten sie einen Befehl von ihm. Mit dem, was dann geschah, hatte
ich am allerwenigsten gerechnet; es kam für mich völlig
überraschend, war aber, wenn man darüber nachdenkt, so
überraschend nun auch wieder nicht. Er lief an den Mönchen
vorbei, nahm das Gewehr von der Schulter, pflanzte das Bajonett auf und
bezog neben mir Stellung.
Er lächelte mich noch einmal mit diesem
einzigartigen St. Claire-Lächeln an und drehte sich dann zu den
Mönchen um.
»Wer stirbt zuerst?« rief er auf chinesisch.
12
Der letzte Banzai
Ich weiß nun, daß er den Tod suchte. Den Tod im Kampf,
den Soldatentod. Für einen Mann wie ihn der letzte Ausweg in einer
aussichtslosen Situation.
Damals hatte ich keine Zeit, über die Motive
seines Handelns nachzudenken, denn mit einem vielstimmigen Schrei, der
dem letzten Banzai der Kaiserlich-Japanischen Garde in der
entscheidenden Schlacht des Zweiten Weltkriegs im Fernen Osten alle
Ehre gemacht hätte, stürzten sich die fünf wie ein Mann
auf uns.
Zwei nahmen es mit mir auf, die anderen drei mit St.
Claire.
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