Toedliche Luegen
mit der Konkurrenz nicht mithalten, hä? Tja, so sind die Weiber. Geld regiert die Welt.“
Der Älteste unter ihnen, ein Männchen mit dünnem, strähnigem Haar, taxierte Alain peinlich genau von Kopf bis Fuß. „Oder gehörst du selbst zu dieser feinen Gesellschaft?“ In der Stimme des Alten schwang ein bitterer Unterton, der Alain aufhorchen ließ.
Woher sollte er wissen, dass es zwischen den Besatzungen der so gegensätzlichen Schiffe am Vorabend eine heftige Auseinandersetzung gegeben hatte , an deren Ende die Fiancée de vent ihren Koch als Totalausfall zu beklagen hatte? Und solch einen Verlust einschätzen konnte nur ein richtiger Seemann, für den der Koch der mit Abstand wichtigste Mann an Bord war.
„Nein, ich gehöre nicht dazu.“ Verlegen klopfte sich Alain den Staub von der Hose. Er musste sich mit Gewalt zwingen, seinen Blick vom Meer abzuwenden und nach vorne zu sehen. „Ich habe nie zu ihnen gehört.“
Während er mit hängenden Schultern hinter den Seemännern her trottete, war er darum bemüht, den Schmerz um seinen Verlust beiseite zu schieben. Wenn er jetzt zuließ, dass er sich seiner Verzweiflung ergab, würde er zweifellos noch den letzten Rest seines Stolzes verlieren. Nein, er war nicht bereit, sich und sein Selbstwertgefühl für Beate zu opfern.
Jesus, e r musste aufhören, unentwegt an diese deutsche Beißzange zu denken! Davon kam sie nicht zurück. Wäre doch gelacht, wenn er nicht genauso schnell eine Lösung seines Problems finden würde, wie Beate ihn selber am Hals des blonden Kapitäns vergessen hatte. Es gab genügend Weiber, mit denen er sich trösten konnte. In dieser Stadt reihte sich eine Hafenkneipe an die andere und überall wimmelte es von willigen, scharfen Bräuten. Hier würde er genügend Ablenkung finden, um die Demütigung, die ihm Pierre und Beate zugefügt hatten, zu vergessen.
In diesem Moment war er wild entschlossen, sich mit seiner Trauer um diese treulose, verlogene Kratzbürste nicht länger zu quälen. Er beschleunigte seine Schritte. Wenn je ein Mann Grund gehabt hatte, sich zu betrinken, dann war er das.
Die Crew der Fiancée de vent blieb den ganzen Abend und die halbe Nacht in der heruntergekommenen Kneipe L'eau de vie . Als gelte es, ihren Ruf als raue Seebären zu verteidigen, soffen die Männer exzessiv die Getränkekarte hoch und wieder runter, rissen zotige Witze und heizten sich an den erotischen Bewegungen der Tänzerinnen auf der in rotes Licht getauchten Bühne auf.
Alains Kummer verflog mit jedem Glas Bier und jedem Schnaps, welche er in sich hineinschüttete, in immer weitere Fernen. Letzten Endes stellte er fest, dass es nichts gab, worum zu trauern sich lohnte. Beate? Hilfe, der kleine, deutsche Bastard seines Bruders! Wer war sie schon? Ein Nichts! Ein ganz und gar durchschnittliches Mädchen, das stets den Weg des geringsten Widerstandes ging und sich wie die Made im Speck an Germeaux’ fürstlich gedeckter Tafel durchfutterte. Sie war gewiss nicht eine seiner Tränen wert. Schmiss sich jedem Dahergelaufenen an den Hals, kaum dass sie Paris und ihn hinter sich gelassen hatte. Was wollte er mit so einer? Von der Sorte hatte er bereits unzählige verschlissen. Er hatte sich nicht einmal ihre Namen gemerkt, derart wenig bedeuteten ihm diese Miezen.
Genauso würde er es auch in Zukunft halten. Dann würde die Erde wieder eine Kugel sein und die Sonne im Osten aufgehen … und er wäre wieder der klugscheißerische, anmaßende Widerling, als den ihn jeder kannte, bevor er zu lieben begonnen hatte.
Und wenn schon! Beate lieben. Er musste mit Dummheit geschlagen sein! Diesen Fehler würde er unter Garantie kein zweites Mal machen.
D enn diesen Fehler würde er nicht wiederholen können. Er besaß lediglich ein Herz und das hatte er längst verschenkt. Er hatte es Beate hinterhergeworfen. Aber die wollte es nicht, hatte es achtlos zerbrochen und über Bord geschleudert. Wie blind sie ihn doch hatte werden lassen, so blind und leichtfertig vertrauensselig! Ihre Hemmungslosigkeit hatte er bereits in Deutschland – mit berechtigtem Misstrauen, wie er nun endlich wusste – beobachtet, als sie sogar in seinem Beisein ungeniert mit Jasdan Reichelt geflirtet hatte.
Er durfte nicht daran denken, was sich gerade in diesem Moment an Bord der „Bella“ ab spielte.
Alain schloss die Augen. Feine Schweißtröpfchen standen auf seiner Stirn. Sein Herz schlug dermaßen schnell und hart, dass er es kaum ertragen konnte. Es tat furchtbar
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