Tödliche Mitgift
Dreylings hatte ich schon mehr und auch aufschlussreichere Unterredungen als mit Ihnen, Herr Löwgen.«
Er sah sie ungläubig an. »Reden … mag sein, dass die viel reden. Aber ihr schnappt euch trotzdem immer nur die kleinen Fische, wie Matthias Nowak zum Beispiel …«
»Wir drehen uns im Kreis«, erwiderte Pia müde und trank ein paar Schlucke aus ihrem Glas. »So ist das sinnlos, Herr Löwgen. Lassen Sie uns das Gespräch morgen im Büro fortsetzen.«
»Weshalb ich Sie wirklich angerufen habe, interessiert Sie wohl gar nicht?«, fragte er mit listigem Gesichtsausdruck.
»Ich sterbe vor Neugierde«, gab sie sarkastisch zurück.
»Und wenn ich sterbe, dann tut es Ihnen vielleicht endlich mal leid«, sagte er böse.
Pias Befürchtung, der Abend in der Kneipe würde keine neuen Erkenntnisse für die Ermittlung mehr bringen, bewahrheitete sich. Löwgen fiel nach seiner pessimistischen Ankündigung in verstocktes Schweigen. Pia kämpfte vergeblich gegen eine Mischung aus Frust, Müdigkeit und dem Gefühl an, etwas Entscheidendes übersehen zu haben. Nachdem Löwgens Bedürfnis, mit ihr zu reden, vorerst gestillt zu sein schien, konnten sie genauso gut wieder nach Hause fahren.
Als Pia und Hinnerk kurze Zeit später die Kneipe verließen, war die Nacht sternklar. Vor dem Lokal standen ein paar Autos im Licht einer einsamen Straßenlaterne. Beim Aufschließen ihres Wagens fiel Pias Blick auf einen Geländewagen, einen alten Range Rover, der direkt vor ihrem Citroën parkte. Die hinteren Scheiben des Wagens waren mit dunkler Folie beklebt, sodass man nicht in das Innere des Fahrzeugs sehen konnte, und eine Schlammschicht zog sich bis fast unters Dach. Pia verspürte im Augenblick keine Lust, sich über verdreckte Scheinwerfer und unleserliche Nummernschilder aufzuregen, war aber trotzdem einen kurzen Moment geneigt, sich einzumischen. Doch der Abend war wegen ihres Wunsches, Löwgen zu treffen, bereits verkorkst genug. Es war Zeit, sich auf Hinnerk und die angenehmen Aspekte des Lebens zu konzentrieren.
Sie ließ den Motor ihres Wagens an und sah noch, wie Bernhard Löwgen aus dem hell erleuchteten Eingang der Kneipe trat. Er blickte kurz nach links und rechts, bevor er an der Hauswand entlang zu einem Fahrradständer ging. Pia hatte sich schon gefragt, ob er wohl trotz seiner Krankheit Auto fuhr, so einsam, wie er in Duvensee wohnte. Mit dem Fahrrad war er von hier aus bestimmt noch eine Dreiviertelstunde unterwegs.
Nach einem letzten Blick auf den über sein Fahrrad gebeugten Löwgen rollte sie auf die Schweriner Straße. Hinnerk drückte auf den Knöpfen des Autoradios herum, um nach einem annehmbaren Sender zu suchen. Die Kneipe, in die Löwgen sie bestellt hatte, befand sich auf der Ostseite des Ratzeburger Sees, sodass sie den See überqueren mussten, um zurück nach Lübeck zu gelangen. Sie fuhren über den Königsdamm und auf der Insel zwischen den angestrahlten Fassaden der alten Ratzeburger Häuser hindurch.
Als sie den Lüneburger Damm überquerten, räusperte Hinnerk sich. »Machst du dir Sorgen?«, fragte er.
»Ich? Nein, wieso?«
»Ach, komm, Pia! Mir ist die Sache ja schon sonderbar vorgekommen. Der Typ ist bei jedem lauten Geräusch zusammengefahren. Du sagst, er ist in einen Mordfall verwickelt? Nun, ich würde mir Sorgen um ihn machen.«
»Ja, du hast recht. Ich hab kein gutes Gefühl bei Löwgen.
Wenn wirklich jemand bei ihm eingebrochen ist und seinen Rechner zerstört hat, wird derjenige vielleicht auch vor Gewaltanwendung gegen Menschen nicht zurückschrecken. Es gefällt mir nicht sonderlich. Andererseits …«
»Was ist andererseits?«
»Unser mutmaßlicher Täter sitzt seit heute in U-Haft.«
»Das hört sich beruhigend an.«
»Ja, das sollte es zumindest«, antwortete Pia, war aber trotzdem nicht überzeugt. Nachdem sie die Außenbezirke Ratzeburgs verlassen hatten, tauchte ein Paar Scheinwerfer im Rückspiegel auf, schob sich provozierend nah an Pias Wagen heran und bremste dann ab. Es war ein Range Rover, dessen Kennzeichen man nur schwer lesen konnte, höchstwahrscheinlich derselbe, den Pia vor der Kneipe gesehen hatte.
»Dieser Geländewagen nervt. Wenn er in unsere Richtung fährt, werde ich was unternehmen«, sagte sie mehr zu sich selbst.
»Der hatte heute nur ein bisschen Spaß im Gelände«, erwiderte Hinnerk, der gute Ohren hatte.
»Aber es gibt Waschanlagen.« Der schmutzige Range Rover bog nach links auf die Bundesstraße 207 ab, während sie sich rechts in
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