Toedliche Offenbarung
Versprochen.«
10
Georg Goldmann ist neben den akkurat geschnittenen Buchsbaumkugeln vor dem Clubhaus stehen geblieben. Mit ernstem Gesicht verfolgt er das Geschehen jenseits der rotweißen Flatterbänder. Polizisten in Uniformen machen Notizen und fotografieren, Männer in weißen Overalls kriechen um das Gebüsch herum und untersuchen jeden Grashalm.
»Hallo, Sie da.« Borgfeld winkt Goldmann zu sich heran. »Sie können jetzt einen Blick auf den Toten werfen, bevor er weggebracht wird.«
Goldmann duckt sich mit steifem Rücken unter dem Absperrband durch und folgt Borgfeld zu der Leiche, die versteckt hinter den Leuten von der Spurensicherung liegt. Als die Kollegen in den hellen Schutzanzügen zur Seite treten, geben sie den Blick auf die Bank frei. Sie ist leer. Goldmanns Blick wandert tiefer. Auf dem Boden liegt eine dunkle Plastikfolie, darauf der Leichnam, bedeckt mit einem weißen Tuch. Nur der Kopf und die nackten Füße schauen an den Stoffenden hervor.
Goldmann tritt näher heran. Er mustert das aufgedunsene Gesicht des Toten und wird eine Spur blasser. Diese Reaktion entgeht Borgfeld nicht.
»Kennen Sie ihn?«
Goldmann starrt den Toten an, ohne ein Wort zu sagen.
»Ist er Mitglied in Ihrem Verein?«
»Gott bewahre«, entfährt es Goldmann.
»Aber Sie kennen ihn?«
»Flüchtig.«
»Wer ist es?«
»… Henry Broderich.« Goldmanns Stimme klingt verhalten.
»Was wissen Sie über ihn?« Borgfeld lässt Goldmann nicht aus den Augen. Weder das Händezittern entgeht ihm, noch die plötzlichen roten Flecken, die auf Goldmanns Wangen blühen wie Mittagsblumen in der Sonne.
»Broderich ist Journalist. Er …« Neuerliches Zögern auf Goldmanns Seite, noch mehr Flecken auf der Wange. Dann folgt minutenlanges Schweigen.
»Woher kannten Sie ihn?«
Goldmann starrt auf den Boden und rührt sich nicht.
»Herr Goldmann, bitte, ich habe Sie was gefragt.«
Borgfelds Worte scheinen nicht zu Goldmann durchzudringen. Kein Muskel bewegt sich in seinem Gesicht, nicht einmal die fleischigen Hängebacken verziehen sich.
»Noch einmal: Woher kannten Sie Henry Broderich?«
Borgfelds Stimme wechselt von freundlich zu bestimmt. Er würde diesen Mann am liebsten schütteln, um eine Antwort zu bekommen. Der weiß mehr, als er zugibt, so viel steht für ihn fest.
Als wenn Goldmann Borgfelds Gedanken gehört hätte, hebt er endlich den Kopf und murmelt: »Er hat mich interviewt.«
»Das ist doch ein Anfang.« Borgfelds Körper spannt sich. Ein Interview kann eine sehr persönliche Angelegenheit sein. Zwei Menschen sitzen zusammen und reden. Einer stellt Fragen, der andere antwortet. Dabei bekommt man nicht nur einen Eindruck von dem anderen, man erfährt auch etwas über ihn. Aber deshalb bringt man den anderen nicht gleich um.
Als wenn dieser Gedanke eine Tür in seinem Kopf aufstoßen würde, erinnert Borgfeld sich plötzlich an etwas. Im letzten Monat hat sein Vetter Gerrit auf der Geburtstagsfeier seiner Mutter etwas vom Golfclub erzählt. Was ist das bloß gewesen?
Es hatte etwas mit Grundstücken zu tun. Das weiß er genau – und mit der Erweiterung des Golfplatzes um irgendwelche Löcher.
»Die wollen mehr Löcher … was auch immer das heißt«, hatte Gerrit gesagt. Dann hatte er noch davon geredet, dass es deshalb Stunk im Gemeinderat gibt. Großen Stunk. Weiter war Gerrit jedoch nicht gekommen, dann hatte seine Mutter alle zur Kaffeetafel gerufen.
Stunk im Gemeinderat . Was Gerrit wohl damit gemeint hat? Borgfeld weiß, dass es bei der Genehmigung des Golfclubs vor etlichen Jahren Ärger gegeben hat. Vielleicht hing das Interview damit zusammen. Er sollte Gerrit anrufen, der würde ihm alles haarklein erzählen, schließlich sitzt er als Hausmeister im Rathaus direkt an der Quelle.
Genauso plötzlich wie sich Borgfeld an das Gespräch mit Gerrit erinnert hat, ist er sich plötzlich sicher, dass Goldmann mehr über Broderich weiß, als er zugibt. Borgfeld kann nicht sagen warum, er hat nur so ein Gefühl – aber für jemanden, dessen Leidenschaft das Führen von Listen und Tabellen ist, sind solche Gefühlsanwandlungen selten. Gerade deshalb nimmt er sie ernst. Besser, er führt dieses Gespräch nicht allein. Borgfeld macht Streuwald mit den Augen Zeichen, dass er kommen soll. Sein Kollege erwidert das Augenzwinkern, mehr nicht. Möglichst unauffällig bewegt Borgfeld daraufhin seinen rechten Zeigefinger und winkt Streuwald zu sich heran. Der nimmt zwar die Handbewegung seines Kollegen
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