Toedliche Offenbarung
wahr, rührt sich aber trotzdem keinen Zentimeter von der Stelle.
»Er hat Sie also interviewt«, brummt Borgfeld und flucht innerlich: Herr Gott, wann begreift Streuwald endlich, dass er seinen Arsch in Bewegung setzen soll?
»Sagte ich doch schon.« Goldmann wirft Borgfeld einen genervten Blick zu.
»Und worum ging es in diesem Interview?« Borgfeld winkt noch heftiger nach Streuwald. Der versteht endlich und kommt zu ihnen herüber. Schleicht herüber. Mein Gott, flucht Borgfeld. Beim Gehen könnte man dem glatt die Schuhe besohlen.
»Das ist übrigens mein Kollege, Kommissar Streuwald«, stellt Borgfeld ihn vor, als er endlich neben ihnen steht. »Und das ist Herr Goldmann, der Präsident dieses Vereins. Herr Goldmann, können Sie noch einmal wiederholen, was Sie mir gerade erzählt haben?«
Goldmann kneift die Augen zusammen, sagt aber keinen Ton.
»Herr Goldmann, Sie sagten, dass Sie den Toten kennen und von ihm interviewt wurden. Was sagten Sie, war das Thema des Interviews?«
»Ich habe gar nichts gesagt.«
»Und was war dann das Thema?«, hakt Borgfeld ungeduldig nach.
»Es gab viele Fragen, über die wir gesprochen haben.«
»Können Sie uns das ein bisschen genauer sagen?«
»Wir sprachen über Neuwarmbüchen, über Isernhagen, über den Gemeinderat, den Golfplatz, Golf überhaupt.« Goldmann wirkt angespannt, die Mittagsblumen auf seinem Gesicht sind wieder zur Stelle.
»Gemeinderat, Golf überhaupt.« Borgfeld zieht zweifelnd die Augenbrauen hoch. »Sind Sie sicher, dass Sie nur so ganz allgemein mit Herrn Broderich gesprochen haben?«
»Ja, ganz allgemein.«
»Nichts Spezielles?«
»Nein, nichts Spezielles.«
»Sicher?«
»Ja, sicher.« Goldmann überlegt, dann setzt er hinzu: »Eins der Themen war die Golfplatzerweiterung. Aber das ist ja nun wirklich nichts Spezielles.«
Das ist das Stichwort, auf das Borgfeld gewartet hat, wie der Skatspieler auf das Re zum Contra.
»Gab es wegen dieser Erweiterung nicht …«, seine Augen blinzeln ungewohnt kämpferisch, »… Ärger?«
»Ärger – wie sich das anhört«, empört sich Goldmann.
»Sagen wir, die Erweiterung des Golfplatzes ist umstritten.« Stunk im Gemeinderat . Gerrit weiß bei solchen Sachen mehr, als in der Zeitung steht, da ist sich Borgfeld sicher.
Goldmanns Augen verengen sich. »Umstritten stimmt nicht.« Er blinzelt Borgfeld böse an und setzt vehement hinzu: »Überhaupt nicht.«
»Aber nicht alle sind von der geplanten Erweiterung des Golfplatzes begeistert.« Borgfeld zwinkert Streuwald zu. Ein Ausdruck des Triumphes liegt jetzt auf seinem Gesicht. »Stimmt’s?«
»Irgendwelche Querulanten gibt es immer.«
»Wie meinen Sie das?«, schaltet sich Streuwald ein.
Überrascht dreht sich Goldmann zu ihm um, wie zu der Stimme aus dem Off.
»Wenn man etwas tut, gibt es immer jemanden, dem das nicht passt. Ein Landwirt hier, ein Anwohner da. Der eine gönnt dem anderen den Verkauf des Ackers nicht und der Nächste wiederum hat Angst, dass mehr Autos als vorher an seinem Haus vorbeifahren könnten.« Goldmann knetet nervös seine Finger. »Heute gibt es immer irgendeinen, der gegen etwas ist. Gucken Sie in die Zeitung, die ist jeden Tag voll davon. Ob beim Stuttgarter Bahnhof, dem Tierversuchslabor in Kirchrode oder unserem Golfplatz. Manche Leute sind gegen alles, was sich vor der eigenen Haustür abspielt.«
»Für welche Zeitung hat Broderich eigentlich das Interview gemacht? Für den Hannoverschen Anzeiger oder für den Marktspiegel ?«, übergeht Streuwald Goldmanns Allgemeinplätze.
»Das Interview war für ein Onlineforum. Broderich betreibt einige solcher Foren. Burgdorf-online , Isernhagen-online . Für jeden Ort ein eigenes. Er gestaltet die Seiten, stellt Themen vor, sammelt Beiträge, moderiert und kommentiert.«
»Wann war das mit dem Interview genau?«, nimmt Borgfeld den Ball wieder auf.
Goldmann dreht den Kopf wieder zu Borgfeld.
»Das erste vor einem halben Jahr, das zweite vor einem Monat«, er zögert kurz, »und das dritte letzte Woche.«
11
Beckmann fährt seinen Laptop hoch, lädt die Daten vom Stick herunter und ruft sie auf. Auf dem Bildschirm flattert die Liste der Webadressen auf, die er sich ansehen will. Seit er beim Polizeilichen Staatsschutz arbeitet, verbringt er viel Zeit damit, Internetseiten zu durchforsten, die im Zusammenhang mit der rechten Szene in Niedersachsen stehen. Sein besonderes Augenmerk gilt Freiherrn zu Wörstein, der vor einigen Jahren die Gruppe
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