Toedliche Offenbarung
blickt in Marthas Richtung. Dann quält er sich ein Lächeln ab »Tut mir leid, dass ich vorhin etwas barsch war«, bemüht er sich um einen versöhnlichen Ton. »Sie hätten aber auch etwas eher sagen können, dass dort ein Toter liegt. Wer soll denn so etwas wissen?«
»Ist schon gut«, erwidert Martha. Sie fühlt sich leer und ausgepumpt. Das Bild des Toten hat sich auf ihrer Netzhaut eingebrannt und immer wieder kreisen Fragen in ihrem Kopf herum. Warum sitzt ein Toter auf der Bank hinter dem Caddyhaus? Ein tiefer Seufzer entweicht ihr. Das geht sie nichts an.
Die Polizei ist da und wird sich darum kümmern. Es ist die Sache von Streuwald, Borgfeld und Kollegen, Antworten auf diese Frage zu finden. Nein, verspricht sie sich, sie wird sich nicht wieder in Mordermittlungen der Polizei einmischen. Nie wieder. Das ist deren Job. Sie berichtet nur in der Zeitung darüber und ansonsten versucht sie, Ruhe in ihr Leben zu bekommen, das seit Jahren aus den Fugen geraten zu sein scheint.
Martha lässt ihren Blick schweifen. Nicht nur auf der Terrasse, auch auf dem Golfplatz ist im Gegensatz zu sonst alles ruhig. Kein Mensch ist auf den Bahnen zu sehen. Die Fahne von Loch achtzehn hängt schlaff herunter. Der gepflegte Rasen des Grüns strahlt im Licht der Sonne; rechts, am Rand des Fairways gibt es bereits die ersten trockenen Stellen. Die gelassene Ruhe des Golfplatzes ist genau das, was sie braucht, um wieder zur Tagesordnung übergehen zu können.
Roswitha folgt Marthas Kopfbewegung.
»Totentanz auf dem Platz«, wispert sie ihr über den Tisch hinweg zu.
Entsetzt sehen sich Trixi und Martha an. Keine kann über Roswithas Kommentar lachen. Im Gegenteil, der Satz schwebt wie eine Drohung über ihren Köpfen und lähmt jede Bewegung. Martha hat nicht einmal die Kraft, ihren Cappuccino zu trinken. Gedankenverloren fixiert sie den zusammensinkenden Milchschaum, als Trixi endlich das Schweigen bricht.
»Diese Augen … so … weit aufgerissen und …« Trixis Oberkörper bebt und sie fängt hemmungslos an zu weinen. »Wenn mein Bag nicht umgefallen wäre …«
Sie schluchzt erneut. »Die Bälle rollten überall hin. Bis vor seine Füße.«
»Ob du die je wiederbekommst?«
Schlagartig gewinnt Trixi ihre Fassung zurück und sieht Roswitha entgeistert an.
»Wie bist du denn drauf?«
»Wieso?« Roswitha schiebt sich die Haarsträhne hinters Ohr. »Man kann doch mal fragen. Schließlich waren die nagelneu – und alles Titlists .«
In diesem Moment kommt Streuwald auf die drei zu.
»Meine Damen, können Sie bitte zu uns kommen. Wir sitzen im Raum neben dem Sekretariat und brauchen noch genauere Angaben von Ihnen.«
13
Alexander Borgfeld starrt seit zwei Stunden auf seinen Computer. Er wechselt von farmville zurück zur Startseite von facebook . Der Bildschirm flackert, dann steht die neue Seite klar vor ihm. Zufrieden reibt er sich die Hände. Der Aufruf zur Mahnwache hat schon 32 Kommentare hervorgerufen. Gerade kommt der 33. Alle sind sich einig: Der friedliche Protest ist eine gute Idee.
Ali schiebt die langen blonden Haare zurück, die ihm in die picklige Stirn fallen, und klickt wieder auf farmville . Seine Bohnen sind reif und er beginnt mit der Ernte. Als Sonja sein Zimmer betritt, zuckt er zusammen und wechselt die Seite.
»Die Bilder sind eingebaut. Hier, willst du sehen?«
Sonja liest sich den Text durch und betrachtet die Fotos.
»Prima gemacht, kleiner Bruder. Das wird schon. Gib zur Sicherheit den Aufruf zur Mahnwache noch einmal ein: Morgen, 15:00 Uhr an der Zufahrt zum Landschulheim. Dabeisein ist alles. Oder so ähnlich.«
»Was ist mit Felix, soll ich ihm den Text und die eingearbeiteten Bilder nicht vorher zeigen? Der hat doch schließlich die Fotos besorgt. Ohne die hätten wir damit gar nicht anzufangen brauchen.«
Sonja schüttelt den Kopf. »Geht nicht. Felix ist noch einmal draußen und sondiert das Gelände. Er versucht, dichter an die heranzukommen. Er hat mich vorhin angerufen, dort ist alles ganz ruhig.«
»Ich denke, da soll keiner allein hin?«
»Hab ich ihm auch gesagt, aber Felix ist nicht zu bremsen.« Ein bewunderndes Lächeln umspielt Sonjas Mund.
14
»Der Tote heißt Henry Broderich?« Trixi steht die Überraschung ins Gesicht geschrieben. »Der Henry Broderich?«
»Kennen Sie ihn?« Streuwald ist überrascht. Broderich scheint ja wirklich ein bekannter Mann zu sein.
»Kennen ist übertrieben.« Trixi zögert. »Ich wundere mich, dass ich ihn vorhin
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