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Tödliche Pralinen

Tödliche Pralinen

Titel: Tödliche Pralinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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eben doch sicher — , daß er versucht hat, seine
Frau zu vergiften, um frei zu sein.“
    Die Überraschung in Galzats Gesicht war nicht
gespielt.
    „Ach, das wußten Sie nicht?“ fragte ich mit der
gleichen echten Überraschung. „Nicht schlecht, was? Nun, großzügig, wie ich
bin, schenke ich Ihnen diesen zusätzlichen Beweis. Nennen Sie’s Herzensgüte...
Glückwunsch, Galzat! Sie haben dieselben Überlegungen angestellt wie ich.
Leider sind’s die falschen! Nicht traurig sein, für einen Anfänger ist das ein
intelligenter Irrtum. Für einen Profi jedoch... Na ja, lassen wir das! Ich hab
mal einen Jungen gekannt, der mit sechzehn Jahren davon redete, daß er alle
Staatschefs umbringen wollte. Jetzt ist er Minister. Blouvette-Targuy kann also
mit zwanzig sehr wohl daran gedacht haben, die Menschheit auszurotten, ohne das
zwanzig Jahre später auch tatsächlich auszuführen. Seine Frau sollte vergiftet
werden? Nun, er war der Täter... oderauch nicht! Falls ja: Ist das ein Beweis
für die aktuellen Giftmorde? Und falls nein, dann fällt sowieso alles in sich
zusammen. Jetzt zu Catherines Ausruf: ,Das ist bestialisch!* Ein ganz
gewöhnlicher Ausdruck, der sich nicht unbedingt auf ein Verbrechen beziehen
muß. Catherine wirkt ein wenig — entschuldigen Sie! — überspannt. Ein Fleck auf
der Bluse, eine Laufmasche, all das ist bei ihr gleich eine Katastrophe... oder
eben ,bestialisch’! Sie kennen doch die Leute, für die alles ,zauberhaft’ oder
,unheimlich’ ist. Catherines Wort ist ,bestialisch’. Was anderes...“ Ich
erzählte ihm, was im Hospital nach meiner Entlassung passiert war. „Der
Schuldige könnte Blouvette sein oder ein anderer Arzt oder eine
Krankenschwester... oder Sie, Galzat! Sie haben einen Moment abgepaßt, in dem
ich ganz alleine im Zimmer war. Haben, ohne daß ich’s merkte, ein Fläschchen
vom Nachttisch genommen und mit Arsen verseucht. Von mir aus auch den
Kräutertee. Sehen Sie, ich habe einen ganzen Haufen von Vermutungen, die gegen
Sie sprechen! Was ich suche, sind handfeste Beweise! Ich wüßte zum Beispiel
gerne, wie die Vergiftungen organisiert wurden. Das Verteilersystem! Das würde
uns sicher auf die richtige Spur führen. Nehmen wir mal an, Blouvette-Targuy
hat vergiftete Pralinen in Tanneurs Taxi und auf Irma Denoyels Fußmatte gelegt.
Obwohl ich es für ziemlich unwahrscheinlich halte, daß jemand Schokolade ißt,
die einfach so vom Himmel fällt... Egal, nehmen wir das mal ruhig an. Wie
erklären Sie es sich aber, daß es um ein Haar auch Arthur Duchemin erwischt
hätte?“
    „Arthur Duchemin?“
    Ich zeigte ihm die Sonderausgabe des Paris-Midi.
    „Blouvette-Targuy ist Arzt, und nicht
Schokoladenfabrikant oder — Verkäufer“, sagte ich, als Galzat den Artikel
gelesen hatte. „Das sind nämlich die Leute, die freien Zugang haben zu
Pralinen, ob in Kugel- oder Würfelform. Zwischen Arthur Duchemin und Pablo
Somosa hat es keine weitere Schaltstation gegeben.“

15

Das
Verteilersystem
     
    Am Abend kam eine Art Butler mit Galgengesicht
zu uns, der begleitet wurde von einem Leibwächter. Er brachte uns einen kleinen
Imbiß und eine Absichtserklärung von Paoli. Der Korse bedauerte, uns ein paar
Tage festhalten zu müssen. Wenn wir jedoch brav seien, ließ er uns ausrichten,
werde uns nichts passieren. Galzat atmete auf. Er hatte am Abend vor seiner
Entführung den Film Scarface und sich selbst bereits wie ein Sieb
durchlöchert gesehen.
    Beim Essen nahmen wir unsere Unterhaltung wieder
auf. Danach ging’s weiter, und spät in der Nacht diskutierten wir immer noch
miteinander. Am folgenden Morgen, kaum hatten wir die Augen aufgeschlagen,
fingen wir wieder von neuem an.
    So vergingen zwei Tage.
    Ein unvoreingenommener Zuhörer hätte die
Atmosphäre offener Herzlichkeit zwischen uns gelobt. Dennoch zeigte Galzat
manchmal eine eigenartige Zurückhaltung. Auch ich sagte nicht immer, was ich
dachte. Wär ja auch zu schön gewesen! Während wir uns das Hirn zermarterten, wie
das Gift in die Schokolade gekommen und verteilt worden war, kamen mir so
einige gute Ideen. Doch ich behielt sie lieber für mich. Schließlich war Galzat
mein Konkurrent. Auch er vergaß das keinen Augenblick. Einen Gedanken, den er
wahrscheinlich nicht für besonders schlau hielt, teilte er mir jedoch mit. Er
hatte recht: Der Gedanke war nichts wert. Paßte so gar nicht zu den bekannten
Fakten. Denn wie konnte das Arsen noch in der Fabrik in die Schokoladenmasse,
aus der später die Pralinen

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