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Tödliche Saturnalien

Titel: Tödliche Saturnalien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberts John Maddox
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konnten, daß die Götter dem Fortgang der Feierlichkeiten wohlgesonnen seien.
    Und dann erschien Caesar. Er kam durch das große Portal des Tempels geschritten, obwohl es keine liturgischen Gründe für einen derart inszenierten Auftritt eines Konsuls gab. Aber Caesar war eben Caesar und überdies doppelt wichtig: als Konsul und als Pontifex Maximus, der oberste Richter in allen Fragen der Staatsreligion. Vor dem Altar blieb er stehen und drehte sich – er war ein großer Schauspieler –, mit erhabener Geste halb zum Publikum um.
    Durch das Portal konnten wir das gewaltige, uralte, über die Jahrhunderte schwarz gewordene Standbild des Gottes sehen, die Hippe in der Hand. Wie vom Zeremoniell vorgeschrieben, wickelten der Priester und seine Assistenten die langen Wollbänder von Beinen und Unterleib des Gottes. In grauer Vorzeit hatten wir Saturn von einer Nachbargemeinde erobert und an den Füßen festgebunden, um ihn am Verlassen des römischen Staatsgebiets zu hindern. Nur an seinem Festtag wurden die Fesseln gelöst. Ein kollektiver Seufzer ging durch die Menge, als das letzte Band fiel.
    Caesar beobachtete Horizont und Sonnenuntergang, als sei er persönlich dafür verantwortlich. Da der Portikus des Tempels nach Nordosten lag, war das keine leichte Aufgabe. Als der letzte Strahl hinter dem vergoldeten Giebeldreieck der Curia Hostilia, dem alten Versammlungsort des Senats, verschwunden war, gab es ein Zeichen, und das Opfer wurde nach vorn geführt.
    Da Saturn vor allem ein Gott der Unterwelt ist, finden seine Riten am Abend statt. Aus demselben Grund wird ihm kein weißer, sondern ein schwarzer Bulle geopfert. Das Tier, das von den Assistenten die Stufen hinaufgeführt wurde, war ein Prachtexemplar, schwarz wie der Nachthimmel, mit vergoldeten Hörnern und von oben bis unten mit Kränzen geschmückt. Die Bevölkerung beobachtete ängstlich, ob das Tier schrie oder andere laute Geräusche von sich gab, weil das ein schlechtes Omen gewesen wäre.
    Aber der Bulle schaffte es mit absolutem Gleichmut bis zum Altar und blieb auch für den Rest der Zeremonie ruhig und geduldig. Als ein Assistent mit einem kräftigen Hammerschlag den Bullen traf, sank er geräuschlos auf die Knie, schon tot, bevor der Priester seine Kehle durchschnitt. Andere Assistenten fingen das Blut in goldenen Schalen auf, trugen es zu einer Rinne vor dem Altar und gossen es hinein, auf daß es durch ein Loch im Erdreich unter dem Tempel versickerte.
    Nun traten die Haruspices in ihren Roben vor und stimmten ihre etruskischen Gesänge an. Sie schlitzten den Leib des Bullen auf, und die Innereien fielen heraus. Die Haruspices untersuchten Darm und Lungen, berieten sich eine Weile über die Leber, wandten sie hierhin und dorthin, studierten Spalten, suchten nach Knubbeln, Mißbildungen, Fehlfärbungen oder anderen Seltsamkeiten, die es zu interpretieren galt. Dann sagten sie etwas zu dem Priester, der es dem obersten Meister der Gilde der Heralde weitersagte.
    Würdevoll schritt der Oberherald an den vorderen Rand des Portikus und stieg auf die oberste Stufe. Er atmete tief, tief ein. Der Mann hatte wahrscheinlich die lauteste Stimme der Welt.
    »IO SATURNALIA!« brüllte er, was man vermutlich bis ins cisalpinische Gallien hören konnte.
    Bei diesen Worten brach die Menge in frenetischen Jubel aus, und die Feier war eröffnet. Von überall hörte man »Io Saturnalia!«-Rufe. Jeder Bürger, vom Konsul bis zum Freigelassenen, legte seine Toga ab, das Kleidungsstück, das Bürger von Sklaven und Ausländern unterscheidet. Für die Dauer des Feiertags waren alle gleich. Oder wir taten zumindest so.
    Ich faltete meine Toga, klemmte sie unter den Arm und stieg die Stufen hinab, wo sich die Patrizier bereits ohne Zögern mit der übrigen Bevölkerung mischten. Inmitten dieses Meers von Köpfen war es schwer, eine einzelne kleine Frau zu finden. Aber ich war größer als die meisten meiner Zeitgenossen und daher leichter zu sehen.
    »Io Saturnalia, Decius!« rief Julia, rammte mich wie eine Galeere die andere, schlang ihre Arme um meinen Hals und gab mir einen schmatzenden Kuß. Die Freizügigkeit des Feiertags erlaubte eine derartige Unschicklichkeit, die ansonsten undenkbar gewesen wäre. Schließlich waren wir noch nicht verheiratet.
    »Io Saturnalia, Julia!« sagte ich. »Laß uns ein Plätzchen suchen, wo wir uns in Ruhe unterhalten können.«
    Als wir uns durch die Menge drängten, entdeckte ich Hermes. Ohne nachzudenken, hielt ich ihm meine Toga

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