Tödliche Saturnalien
vergessen, aber das tun wir nicht.« Ich langte nach dem Brot und dem Käse und fing an zu essen. »In Kürze werden meine Klienten eintreffen. Haben Cato und Cassandra die Geschenke vorbereitet?«
»Die liegen im Atrium«, informierte er mich, auf einem Stück Käse herumkauend. »Wo wir gerade davon sprechen, wie wär’s mit ein bißchen Geld, damit ich anständig feiern kann?« Auch an normalen Tagen war Hermes oft unverschämt, an den Saturnalien jedoch war er unerträglich. Ich ging ins Schlafzimmer, öffnete meine Truhe, zog einen Beutel hervor und zählte die darin befindlichen Münzen, um mich zu vergewissern, daß Hermes sich nicht schon selbst bedient hatte.
»Hier«, sagte ich und warf den Beutel vor ihn auf den Tisch. »Und steck es gut weg. In den Straßen, in denen du dich wahrscheinlich herumtreibst, kriegt man für diese Summe bereits die Kehle durchgeschnitten. Komm mir nicht mit irgendwelchen exotischen Krankheiten nach Hause, und wehe du bist morgen so verkatert, daß du zu nichts zu gebrauchen bist. Ich stecke mitten in einer üblen Geschichte und habe wahrscheinlich viel zu tun.«
»Wer will dich denn diesmal umbringen?« fragte er und nahm einen Schluck von dem gewässerten Wein.
Bevor ich ihm eine Antwort geben konnte, trafen die ersten Klienten ein. Die üblichen Grüße wurden ausgetauscht. Sie überreichten mir Geschenke. Da es sich in der Hauptsache um arme Leute handelte, waren es meistens die traditionellen Kerzen. Ebenso traditionellerweise wurde erwartet, daß ich ihnen etwas Wertvolleres schenkte, obwohl auch ich in bescheidenen Verhältnissen lebte. Ich gab Burrus ein neues Schwert für seinen Sohn, der bei der Zehnten Legion war und bald im dichtesten Kampfgetümmel der Schlachten gegen die Gallier und Germanen stecken würde, um dort für Caesars Ruhm zu kämpfen.
Von meinem Haus marschierten wir alle zu meinem Vater. Seine Klientenschar drängelte sich bis auf die Straße und mußte schichtweise bei dem alten Herrn vorsprechen. Als es mir schließlich gelungen war, bis ins Haus vorzudringen, traf ich Vater im Gespräch mit einigen vornehm aussehenden Herren an, deren Rang bei ihren schlichten Tuniken schwer zu erraten war. Ich machte meinem Vater meine formelle Aufwartung, und er stellte mir die beiden als Titus Ampius Baibus und Lucius Appuleius Saturnius vor, die designierten Praetoren für das kommende Jahr. Baibus sollte danach den Statthalterposten in Asien übernehmen, Saturnius sollte Macedonien erhalten. Vater hielt es offensichtlich für klug, daß ich mich bei diesen beiden Aufsteigern einschmeichelte, die bald in der Lage sein würden, lukrative Ernennungen auszusprechen, aber ich mußte ihn dringend unter vier Augen sprechen.
»Was willst du?« fuhr er mich unwirsch an, als wir uns ein wenig abgesondert hatten. »Du weißt doch, daß heute jede offizielle Tätigkeit verboten ist.«
»Und du weißt, daß ich ohnehin nur inoffiziell fungiere«, gab ich zurück. »Ich bin auf etwas Wichtiges gestoßen und muß ein paar Dinge wissen. War Celer irgendwann einmal in die Unterdrückung oder Vertreibung verbotener Sekten in Rom und Umgebung verwickelt?«
»Was für eine schwachsinnige Frage ist das nun wieder? Er war Praetor, nicht Censor. Und wenn es gerade keinen amtierenden Censor gibt, ist das wie alle Fragen der öffentlichen Moral eine Angelegenheit der Aedilen.«
»Du warst doch zusammen mit Hortensius Hortalus der letzte amtierende Censor«, bohrte ich weiter. »Hast du irgendwann einmal Maßnahmen gegen solche Sekten ergriffen?«
Er runzelte die Stirn, aber das tat er immer. »Hortalus und ich haben eine Volkszählung durchgeführt, das Lustrum vervollständigt und den Senat von einigen seiner geschmacklosesten Mitgliedern gesäubert. Dann haben wir nur noch die Verpachtung von Staatsaufgaben beaufsichtigt. Bis zur Rückgabe meiner Amtsinsignien im letzten Jahr ist das Thema perverser ausländischer Kulte nie zur Sprache gekommen.«
»Nicht ausländische Kulte, Vater«, verbesserte ich ihn. »Einheimische, ursprünglich italische Kulte, die in und um Rom gepflegt werden, und einige sehr hochgestellte Römer nehmen daran teil.«
»Was soll das heißen?« knurrte er. Also erstattete ich ihm knapp Bericht über meine Erlebnisse der vergangenen zwei Tage, ohne etwas auszulassen. Nun ja, praktisch ohne etwas auszulassen. Als ich zu dem Menschenopfer kam, murmelte er »unfaßbar« und beschrieb eine komplizierte Geste zur Abwehr des bösen Blicks, die er als
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