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Tödliche Saturnalien

Titel: Tödliche Saturnalien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberts John Maddox
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ich erreichte die Stadt ohne weitere Angriffe, und das war gut so, weil mir nicht mehr nach epischen Heldentaten zumute war. Der Schnitt auf meiner Handfläche brannte. Ich war von oben bis unten mit Kratzern, Prellungen und kleineren Schnitten übersät und todmüde.
    Unterwegs trat mir noch einmal die alptraumhafte Szene vor Augen, deren Zeuge ich eben geworden war. Wir Römer hielten Menschenopfer für barbarisch, und der Staat griff nur in Ausnahmefällen auf diese drastische Maßnahme zurück. Die Verwendung von Menschen, sogar wertlosen Menschen, als Opfertiere war eine Praxis, die Galliern und Karthagern angemessen erscheinen mochte, für zivilisierte Völker jedoch nicht in Frage kam. Aber wie lange war es her, daß auch unser Saturnalien-Opfer aus echten Köpfen anstelle von ›Lichtern‹ bestanden hatte? Ich dachte an die siebenundzwanzig Strohpuppen, die wir vor den Iden des Mai von der sublicischen Brücke in den Tiber warfen. Wie lange war es her, daß es siebenundzwanzig Kriegsgefangene gewesen waren?
    Als ich das Forum überquerte, fielen mir die beiden Paare ein, die bei der Einweihung hier lebendig begraben worden waren. Ihre Knochen mußten immer noch irgendwo da unten liegen.
    Das waren meine letzten zusammenhängenden Gedanken in jener Nacht. Ich weiß nicht mehr, wie ich nach Hause gekommen bin, mich entkleidet und in mein Bett gelegt habe. Über dem Forum stand noch immer der Mond, und der östliche Himmel war völlig dunkel. Hinter mir lag einer der längsten Tage meines Lebens.

9. Kapitel
    »He, Decius, wach auf!« Es war Hermes. Ich tastete nach meinem Dolch. Es war an der Zeit, den Jungen umzubringen. Dann fiel mir ein, welchen Tag wir heute hatten. Er kam fröhlich und ausgelassen in mein Schlafzimmer gestürmt.
    »Io Saturnalia!« rief er. »Wie wär’s mit Frühstück, Decius? Los, steh auf!«
    Ächzend und mit schmerzenden Gliedern richtete ich mich auf und setzte mich auf die Bettkante. Das Licht blendete mich, und ich vergrub mein Gesicht in den Händen.
    »Warum habe ich dich nicht gestern getötet, als es noch legal war?« stöhnte ich.
    »Zu spät«, sagte er gutgelaunt. »An den Saturnalien darf man nicht einmal einen Verräter hinrichten. Los, hol mir was zu essen.« Dann bemerkte er mein Aussehen. »Was hast du denn die ganze Nacht gemacht? Du mußt dich im härtesten Lupanar der Stadt rumgetrieben haben.« Er betrachtete meine Verletzungen. »Ich wette, es war einer dieser Läden, wo die Domina dich an einen Pfahl fesselt, bevor du von den Mädchen ausgepeitscht wirst. Du solltest es mal als Sklave versuchen, da könntest du das jeden Tag haben.«
    Endlich fand ich meinen Dolch und wollte auf ihn losgehen, als er mit sonderbarem Gesichtsausdruck auf die Klinge zeigte, die mit rotbraunem Blut verklebt war.
    »Ich hoffe, du hast niemanden innerhalb der Stadtmauern getötet«, sagte er.
    Ich betrachtete die Waffe nachdenklich. »Ich muß das Blut abwaschen, sonst rostet die Klinge.«
    »Das machst du am besten in der Küche«, schlug Hermes vor. »Dann kannst du mir gleich was zu essen mitbringen.«
    Zerschlagen schlurfte ich los. Aus Catos und Cassandras Zimmer drang lautes Schnarchen. Zumindest ihnen würde ich kein Frühstück bringen müssen. Ich goß Wasser aus einem Krug in eine Schüssel und tauchte die Klinge hinein, bevor ich versuchte, das verkrustete Blut mit einem groben Lappen und einem Schwamm abzukratzen. Als sämtliches Blut abgewaschen war, inspizierte ich meine Waffe. Es war bereits zu spät. Der feine Glanz des spanischen Stahls war von winzigen Spritzern verunziert. Blut ist so ziemlich das Schlimmste, was Stahlklingen passieren kann, was an sich merkwürdig ist. Ich nahm mir vor, bei einem Messerschmied vorbeizuschauen und meinen Dolch polieren zu lassen, wenn die Leute wieder normal arbeiteten.
    Ich kramte herum, bis ich ein wenig Brot, Käse und ein paar getrocknete Feigen fand. Ich war mir sicher, daß meine Sklaven für den Feiertag Vorräte eingekauft hatten, aber ich hatte keine Ahnung, wo sie die Nahrungsmittel aufzubewahren pflegten und war auch nicht in der Stimmung für eine gründliche Durchsuchung der Küche. Als ich zurückkam, hatte Hermes es sich auf dem Hof in dem Stuhl bequem gemacht, in dem ich sonst immer saß. Ich wollte ihm gegenüber Platz nehmen, aber er hob drohend den Finger.
    »Na, na, na. Heute nicht!«
    Ich setzte mich trotzdem. »Übertreib es bloß nicht. Eigentlich sollten wir euer Benehmen an den Saturnalien hinterher

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