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Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)

Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)

Titel: Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Traber
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Dorf bei Rosenheim, wo ich ihn einmal besucht hatte,
und mir kam alles vertraut vor: die zwiebelförmige Kuppel des Kirchturms, der kleine
Bahnhof, wo alle zwei, drei Stunden ein Zug hielt, die Aussicht vom Balkon von Erichs
Wohnung aus auf den Heuberg, auf Wälder und Bauernhäuser. Ich hatte sehr gemischte
Gefühle vor dem Wiedersehen mit Erich. Eine Portion Schadenfreude war dabei, ihm
meinen neuen Freund vorzuführen und ihm zu zeigen, dass es mir gut ging. Ich wusste
im Voraus, dass sich die beiden Männer nicht mögen würden, sie waren ja sozusagen
Rivalen und zudem sehr verschieden. Alex betonte auf der Fahrt nach Rosenheim mehrmals,
wir hätten wenig Zeit, wir sollten nur rasch das Boot holen und sofort weiterfahren.
Er versuchte, mich neugierig, aber in einem gehässigen Ton, über »diesen Erich«
auszufragen. Ach, das sei lange her, wich ich lachend aus, eine uralte Geschichte,
längst vergessen und vorbei.
    Als ich
klingelte, öffnete Erich sofort, als hätte er uns ungeduldig erwartet.
    ›Evi, du!‹,
rief er erfreut und zog mich in die Wohnung. ›Mei, siehst du gut aus, du bist viel
hübscher geworden!‹ Alex beachtete er zuerst nicht, bis ich ihn vorstellte. Die
beiden Männer schienen sich andauernd abzuschätzen, die Höflichkeit war erzwungen.
Alex verhielt sich abweisend und schweigsam. Ich gebe es zu, ich genoss die für
die beiden nicht einfache Situation und war natürlich als Einzige frei und gelöst.
Zwei Nebenbuhler, dachte ich belustigt. Erich bestand sogar darauf, eine Flasche
Champagner zu öffnen, um auf unser Wiedersehen anzustoßen, obwohl er das Boot, wie
ich sofort merkte, nur ungern zurückgab.
    Alex stellte
sein Glas ab, ohne einen Schluck getrunken zu haben und wollte sich nicht setzen,
Erich nippte kurz an seinem, nur ich trank meines leer und wurde ein wenig übermütig.
Dann holten die Männer gemeinsam das Schlauchboot aus dem Keller und verstauten
es mit Müh und Not im Auto. Worüber unterhielten sie sich? Über mich? Wohl kaum.
Ich ließ sie absichtlich allein.
    Alex drängte
zur Weiterfahrt, und ich umarmte Erich mit gespielter Herzlichkeit, was mir einen
missbilligenden Blick meines neuen Freundes eintrug. War Alex tatsächlich eifersüchtig
auf meine Vergangenheit? Er behauptete, kaum waren wir wieder zu zweit, Erich habe
so etwas Unruhiges, es habe ihn ganz nervös gemacht.«
    Marianne
lachte und fragte: »Und das Boot? Habt ihr es gebraucht?«
    »Ein einziges
Mal haben wir es aufgepumpt und ins Wasser gesetzt. Alex hatte jedoch kein Sitzleder
in einem Boot. Nach einer Viertelstunde hatte er es satt, auf dem Weiher herumzurudern,
und wir trugen das Schlauchboot in die Hütte zurück. An die Adria fuhren wir nie.
Alex war nicht mehr von den Bergen wegzubringen.«
    »Und wo
ist das Boot jetzt?«
    »Wir haben
es damals in der Hütte zurückgelassen, und inzwischen ist es alt und unbrauchbar
geworden. Es gibt ein romantisches Bild von Caspar David Friedrich, das ich besonders
mag: ›Auf dem Segler‹. Ein Paar, das im Bug eines Schiffes mit windgeblähten Segeln
sitzt. Er in einem dunkelblauen Gewand mit Barett, sie in einem langen, roten Kleid
mit Spitzenkragen. Am Horizont sind im Schein der untergehenden Sonne die Umrisse
einer Stadt zu erkennen. Die beiden halten einander fest an der Hand, da sie sich
gefährlich weit über Bord hinauslehnen, und blicken gemeinsam in die verheißungsvolle
Ferne. Das gelang Alex und mir nicht.«
     
    Auf der Reise nach Südtirol mit
Marianne stieß Eva zum ersten Mal auf einen konkreten Anhaltspunkt, wo Alex zu finden
gewesen wäre. Sie hatte ihrer Freundin die kleine Lara-Hütte oben am Völser Weiher
zeigen wollen. Den Wassergraben gab es noch, er war mit Unkraut und Sträuchern überwachsen,
und das Grundwasser sah man nun deutlich. Nach den zehn Jahren, die seit dem Klettersommer
mit Alex vergangen waren, kam Eva alles viel kleiner vor. Wie ein Ort der Kindheit,
den man als Erwachsener besucht und der auf einmal wie zusammengeschrumpft wirkt.
Die Tür der kleinen Hütte stand offen, man konnte sie nicht mehr richtig schließen,
und alles war voller Staub, Dreck und Spinnweben.
    »Ich muss
unbedingt herausfinden, wo Alex jetzt ist«, beschloss Eva. »Vielleicht weiß man
in der ›Waldruh‹ etwas über ihn.«
    Sie traten
in die Gaststube, setzten sich an einen Ecktisch und bestellten etwas zu trinken.
Der Wirt stand hinter dem Tresen, sein Gesicht kam Eva bekannt vor. An seinen Namen
konnte sie sich jedoch nicht mehr

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