Toedliche Spiele
Sieger übrig blieb.
Am nächsten Morgen sehe ich Peeta nicht. Cinna kommt vor Morgengrauen zu mir, gibt mir ein schlichtes Hemd, das ich anziehen soll, und führt mich aufs Dach. Das endgültige Ankleiden und die Vorbereitung finden in den Katakomben unter der Arena statt. Ein Hovercraft taucht aus dem Nichts auf, wie damals in den Wäldern, als ich zusah, wie das rothaarige Mädchen gefangen wurde, und eine Leiter wird heruntergelassen. Ich platziere Hände und Füße auf den unteren Sprossen und komme mir sofort vor, als wäre ich festgefroren. Eine Art Strom lässt mich an der Leiter haften, während ich sicher nach oben befördert werde.
Ich erwarte, dass die Leiter mich dort freigibt, aber ich klebe weiter fest. Eine Frau in einem weißen Kittel kommt mit einer Spritze in der Hand auf mich zu. »Das ist nur dein Aufspürer. Je besser du stillhältst, desto effektiver kann ich ihn einsetzen«, sagt sie.
Stillhalten? Ich bin still wie eine Statue. Aber das bewahrt mich nicht davor, den stechenden Schmerz zu spüren, als die Nadel das Aufspürgerät aus Metall tief unter die Haut an der Innenseite meines Unterarms einsetzt. Jetzt können die Spielmacher mich jederzeit in der Arena aufspüren. Wollen wohl keinen Tribut verlieren.
Sobald der Aufspürer an seinem Platz ist, lässt die Leiter mich frei. Die Frau verschwindet und Cinna wird vom Dach heraufgeholt. Ein Avoxjunge kommt herein und führt uns in einen Raum, wo ein Frühstück vorbereitet ist. Trotz der Spannung im Bauch esse ich, so viel ich kann, obwohl keine der köstlichen Speisen irgendeinen Eindruck hinterlässt. Ich bin so nervös, dass ich ebenso gut Kohlenstaub essen könnte. Das Einzige, was mich überhaupt berühren kann, ist die Aussicht aus dem Fenster, während wir über die Stadt und die Wildnis hinwegsegeln. So sehen es die Vögel. Nur dass sie frei und sicher sind. Genau das Gegenteil von mir.
Der Flug dauert etwa eine halbe Stunde, als die Fenster verdunkelt werden: Offenbar nähern wir uns der Arena. Das Hovercraft landet und Cinna und ich gehen zurück zur Leiter, die diesmal durch eine Röhre in den Untergrund führt, in die Katakomben, die unter der Arena liegen. Wir folgen den Hinweisschildern bis zu meinem Ziel, einer Kammer für meine Vorbereitung. Die offizielle Bezeichnung lautet »Startraum«. In den Distrikten aber heißt sie nur »der Pferch«. Wo die Tiere darauf warten, zur Schlachtbank geführt zu werden.
Alles ist brandneu, ich bin der erste und einzige Tribut, der diesen Startraum je benutzen wird. Die Arenen sind historische Orte, die nach den Spielen erhalten bleiben. Beliebte Ausflugs- und Urlaubsziele für die Bewohner des Kapitols. Bleiben Sie einen Monat, sehen Sie sich die Spiele noch einmal an, machen Sie eine Tour durch die Katakomben, besuchen Sie die Schauplätze des Todes! Sie können sogar an Wiederaufführungen teilnehmen.
Das Essen soll hervorragend sein, heißt es.
Ich gebe mir alle Mühe, das Frühstück bei mir zu behalten, während ich dusche und mir die Zähne putze. Cinna flicht mein Haar zu dem üblichen schlichten Zopf, der mir auf den Rücken fällt. Dann werden die Kleider gebracht, für jeden Tribut die gleichen. Was mein Äußeres angeht, so hat Cinna diesmal nichts zu sagen, er weiß nicht mal, was sich in dem Bündel befindet; aber er hilft mir, die Unterwäsche, eine schlichte gelbbraune Hose, eine hellgrüne Bluse, einen derben braunen Gürtel und eine dünne schwarze Kapuzenjacke, die mir bis auf die Schenkel fällt, anzuziehen. »Das Jackenfutter soll die Körperwärme speichern. Stell dich auf kalte Nächte ein«, sagt er.
Die Stiefel, die ich über die eng anliegenden Socken streife, sind besser als erhofft. Aus weichem Leder, ähnlich wie meine eigenen zu Hause. Diese haben allerdings eine dünne flexible Gummisohle mit Profil. Gut zum Rennen.
Als ich denke, ich bin fertig, zieht Cinna die Brosche mit dem goldenen Spotttölpel aus der Tasche. Die hatte ich total vergessen.
»Woher hast du die?«, frage ich.
»Von den grünen Sachen, die du im Zug anhattest«, sagt er. Jetzt erinnere ich mich, dass ich sie vom Kleid meiner Mutter abgenommen und an meine Bluse gesteckt hatte. »Sie ist nur knapp durch die Prüfkommission gekommen. Manch einer hat vermutet, sie könnte als Waffe benutzt werden, was ein unfairer Vorteil gewesen wäre. Aber dann haben sie sie doch durchgehen lassen«, erzählt Cinna. »Dafür haben sie den Ring des Mädchens aus Distrikt 1 einkassiert. Wenn man den
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