Toedliche Spiele
gewinnt. Selbst wenn es meiner Familie eine Extraration Essen einbrächte, ist mir die Vorstellung von Peeta als Sieger unerträglich.
Ich flüstere Rues Namen und da sehe ich ihre Augen, groß und aufmerksam. Sie deutet wieder auf das Nest. Ich halte mein Messer hoch und mache eine Sägebewegung. Sie nickt und verschwindet. In einem Baum in der Nähe raschelt es. Dann das gleiche Geräusch ein bisschen weiter weg. Ich begreife, dass sie von Baum zu Baum springt. Ich muss mich beherrschen, nicht laut aufzulachen. War es das, was sie den Spielmachern gezeigt hat? Ich stelle mir vor, wie sie über die Trainingsgeräte hüpft, ohne den Boden zu berühren. Sie hätte mindestens eine Zehn verdient.
Im Osten zeigen sich rosa Streifen am Himmel. Ich kann es mir nicht leisten, länger zu warten. Verglichen mit der Qual gestern Abend ist das Klettern heute das reinste Vergnügen. Als ich den Ast mit dem Nest erreiche, setze ich das Messer in der Kerbe von gestern Abend an und will es schon über das Holz ziehen, als ich eine Bewegung bemerke. Dort, auf dem Nest. Der leuchtend goldene Schimmer einer Jägerwespe, die träge über die dünne graue Nestwand krabbelt. Sie ist noch etwas benommen, keine Frage, aber sie ist wach und das bedeutet, dass die anderen auch gleich herauskommen werden. Schweiß bricht mir an den Handflächen aus und dringt durch die Salbe. Ich versuche, sie am T-Shirt abzuwischen. Wenn ich den Ast nicht in den nächsten Sekunden durchgesägt bekomme, könnte der ganze Schwärm auftauchen und mich angreifen.
Ich darf nicht länger warten. Ich atme tief durch, nehme das Messer fest in die Hand und drücke, so fest ich kann.
Hin, her, hin, her!
Die Jägerwespen beginnen zu summen, ich höre, wie sie herauskommen.
Hin, her, hin, her!
Ein stechender Schmerz schießt durch mein Knie: Eine muss mich gefunden haben, ich weiß, dass die anderen nicht lange auf sich warten lassen werden.
Hin, her, hin, her!
Als das Messer den Ast durchtrennt, stoße ich ihn, so weit ich kann, von mir fort. Er bricht durch die unteren Äste, bleibt ab und zu hängen, windet sich aber wieder frei und kracht mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden. Das Nest platzt auf wie ein rohes Ei und ein wütender Schwärm Jägerwespen hebt ab.
Ich spüre einen zweiten Stich auf der Wange, einen dritten am Hals. Fast sofort wird mir schwummrig. Mit einem Arm klammere ich mich an den Baumstamm, während ich die mit Widerhaken besetzten Stacheln aus der Haut ziehe. Glücklicherweise haben mich nur diese drei Jägerwespen bemerkt, bevor ihr Nest hinuntergefallen ist. Die übrigen suchen den Feind auf dem Boden.
Es ist das reinste Chaos. Als die Karrieros aufwachen, befinden sie sich mitten in einer Jägerwespenattacke. Peeta und ein paar andere sind so schlau, alles liegen zu lassen und Reißaus zu nehmen. »Zum See! Zum See!«, höre ich sie rufen. Er muss ganz in der Nähe sein, wenn sie glauben, ihn vor den wütenden Insekten zu erreichen und sich ins Wasser retten zu können. Glimmer und das Mädchen aus Distrikt 4 haben weniger Glück. Noch ehe sie außer Sichtweite sind, werden sie mehrmals gestochen. Glimmer hat offenbar den Verstand verloren, sie kreischt und versucht, mit dem Bogen nach den Wespen zu schlagen, was sinnlos ist. Sie fleht die anderen an, ihr zu helfen, aber natürlich kommt keiner zurück. Das Mädchen aus Distrikt 4 taumelt davon, doch ich würde nicht darauf wetten, dass sie es bis zum See schafft. Ich sehe, wie Glimmer hinfällt und ein paar Minuten lang hysterisch zuckt. Dann rührt sie sich nicht mehr.
Das Nest ist nur noch eine leere Hülle. Die Wespen haben sich an die Verfolgung gemacht und sind verschwunden. Ich glaube nicht, dass sie zurückkommen, aber ich gehe kein Risiko ein. So schnell ich kann, klettere ich vom Baum hinunter und renne davon, weg vom See. Das Wespengift trübt meine Sinne, aber ich finde den Weg zurück zu meinem eigenen kleinen Tümpel und springe hinein, nur für den Fall, dass doch noch ein paar Wespen hinter mir her sind. Nach etwa fünf Minuten schleppe ich mich auf die Felsen. Was die Wirkung der Jägerwespenstiche angeht, so haben die Leute nicht übertrieben. Nur dass der Stich an meinem Knie eher die Größe einer Orange hat als die einer Pflaume. Eine übel riechende Flüssigkeit sickert aus den Stellen, wo ich die Stacheln herausgezogen habe.
Die Schwellung. Der Schmerz. Das eitrige Zeug. Glimmers letzte Zuckungen. Ganz schön viel, was ich verdauen muss, bevor die Sonne über
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