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Toedliche Spiele

Toedliche Spiele

Titel: Toedliche Spiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Collins
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Welt beginnt sich auf alarmierende Weise zu krümmen. Ein Schmetterling bläht sich auf, bis er so groß ist wie ein Haus, und zerplatzt in eine Million Sterne. Bäume verwandeln sich in Blut und spritzen über meine Stiefel. Ameisen kriechen aus den Blasen an meinen Händen und lassen sich nicht abschütteln. Sie krabbeln an meinen Armen hoch, an meinem Hals. Jemand schreit, ein langer, schriller Schrei, ohne Atempause. Verschwommen denke ich, dass er von mir stammen könnte. Ich taumele und falle in eine kleine Grube mit winzigen orangefarbenen Blasen, die summen wie das Jägerwespennest. Ich ziehe die Knie ans Kinn und warte auf den Tod.
    Elend und orientierungslos kann ich nur an eins denken:
Peeta Mellark hat mir das Leben gerettet.
    Dann bohren sich die Ameisen in meine Augen und ich verliere das Bewusstsein.
     

15
     
    Ich versinke in einem Albtraum und jedes Mal, wenn ich daraus erwache, stelle ich fest, dass noch größerer Schrecken mich erwartet. Alles, wovor ich mich am meisten fürchte, und alles, was ich am meisten für andere fürchte, erscheint mir so detailgetreu vor Augen, dass ich überzeugt bin, es wäre Wirklichkeit. Jedes Mal, wenn ich aufwache, denke ich:
Endlich ist es vorbei,
aber es ist nicht vorbei. Es ist nur der Anfang eines neuen Kapitels der Tortur. Auf wie viele Arten sehe ich Prim sterben, durchlebe ich die letzten Sekunden meines Vaters wieder, spüre ich, wie mein Körper auseinandergerissen wird? Das ist die Natur des Jägerwespengifts; es wurde systematisch immer weiter gezüchtet, bis es genau an der Stelle im Gehirn wirkte, wo die Angst sitzt.
    Als ich schließlich wieder zu mir komme, liege ich nur still da und warte auf den nächsten Ansturm der Bilder. Aber irgendwann wird mir klar, dass das Gift endlich meinen Körper verlassen und ihn als kraftloses Wrack zurückgelassen hat. Ich liege immer noch so da wie vorher, zusammengekauert wie ein Baby im Mutterleib. Ich taste nach meinen Augen und stelle fest, dass sie unversehrt sind, es hat keine Ameisen gegeben. Allein der Versuch, meine Glieder zu strecken, kostet mich enorme Anstrengung. So viele Stellen meines Körpers schmerzen, dass ich sie mir gar nicht einzeln ansehe. Ganz, ganz langsam schaffe ich es, mich aufzusetzen. Ich befinde mich in einer flachen Grube, die keineswegs mit summenden orangefarbenen Blasen gefüllt ist, wie ich sie in meinem Wahn gesehen habe, sondern mit alten, vertrockneten Blättern. Meine Kleidung ist klamm, aber ich weiß nicht, ob von Tümpelwasser, Tau, Regen oder Schweiß. Lange Zeit kann ich nichts tun, als kleine Schlucke aus meiner Flasche zu trinken und einem Käfer zuzuschauen, der seitlich an einem Heckenkirschenstrauch emporkrabbelt.
    Wie lange war ich bewusstlos? Als ich den Verstand verloren habe, war es Morgen. Jetzt ist es Nachmittag. Aber die Steifheit in meinen Gelenken legt nahe, dass mehr als ein Tag vergangen ist, vielleicht sogar zwei. Wenn dem so ist, dann habe ich keinen Überblick, welche Tribute den Angriff der Jägerwespen überlebt haben. Glimmer und das Mädchen aus Distrikt 4 jedenfalls nicht. Aber da waren ja noch der Junge aus Distrikt 1, die beiden Tribute aus Distrikt 2 und Peeta. Sind sie an den Stichen gestorben? Falls sie überlebt haben, müssen die letzten Tage für sie genauso grauenvoll gewesen sein wie für mich. Und was ist mit Rue? Sie ist so klein, es brauchte nicht viel Gift, um sie zu töten. Andererseits ... Sie hatte einen ordentlichen Vorsprung, die Jägerwespen hätten sie erst einmal einholen müssen.
    Ein widerwärtiger, fauliger Geschmack erfüllt meinen Mund und das Wasser kann ihn kaum vertreiben. Ich schleppe mich zu der Heckenkirsche und pflücke eine Blüte. Vorsichtig ziehe ich die Staubblätter hervor und lasse mir den Nektartropfen auf die Zunge fallen. Die Süße verbreitet sich im Mund, läuft die Kehle hinunter und wärmt meine Adern mit Erinnerungen an den Sommer, an meinen Heimatwald und an Gale, der neben mir sitzt. Aus irgendeinem Grund muss ich an unser Gespräch an jenem letzten Morgen denken.
    »Wir könnten es tun, weißt du.«
    »Was?«
    »Den Distrikt verlassen. Davonlaufen. Im Wald leben. Wir beide könnten es schaffen, du und ich zusammen.«
    Plötzlich denke ich nicht mehr an Gale, sondern an Peeta und ... Peeta!
Er hat mir das Leben gerettet!,
denke ich. Bei unserer letzten Begegnung hätte ich nicht sagen können, was Wirklichkeit war und was Halluzination. Aber wenn er mir das Leben gerettet hat, und mein Gefühl

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