Toedliche Spiele
aber es ist leer. Fast alle Vorräte in Kisten, Jutesäcken und Plastiktonnen sind fein säuberlich zu einer Pyramide aufgestapelt, die verdächtig weit vom Lager entfernt aufragt. Rings um die Pyramide liegen hier und da weitere Vorräte, fast als sollte die ursprüngliche Anordnung zu Beginn der Spiele, mit dem Füllhorn in der Mitte, kopiert werden. Die Pyramide selbst wird von einem Netz bedeckt, das aber höchstens Vögel fernhalten könnte.
Die ganze Anlage ist äußerst verwirrend. Die Entfernung zum Lager, das Netz und die Anwesenheit des Jungen aus Distrikt 3. Eins ist sicher: Diese Vorräte zu zerstören wird nicht so einfach, wie es aussieht. Irgendetwas stimmt da nicht und ich tue gut daran, in meinem Versteck zu bleiben, bis ich herausgefunden habe, was. Ich vermute, dass in der Pyramide eine Bombe oder so was versteckt ist. Ich male mir Fallgruben aus, herunterstürzende Netze, eine Schnur, die einen vergifteten Pfeil auslöst, wenn sie zerrissen wird. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten.
Während ich die verschiedenen Alternativen abwäge, höre ich Cato rufen. Er deutet auf den Wald in der Ferne und ich muss mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass Rue das erste Feuer angezündet hat. Wir haben extra viel grünes Holz gesammelt, damit man den Qualm auch schön sieht. Sofort greifen die Karrieros zu den Waffen.
Ein heftiger Streit bricht aus. Es geht darum, ob der Junge aus Distrikt 3 bleiben oder sie begleiten soll.
»Er kommt mit. Wir brauchen ihn im Wald und hier gibt es für ihn sowieso nichts mehr zu tun. An die Vorräte kommt keiner ran«, sagt Cato.
»Und was ist mit unserem Loverboy?«, fragt der Junge aus Distrikt 1.
»Den kannst du vergessen, habe ich dir doch gesagt. Ich weiß, wo ich ihn getroffen habe. Ein Wunder, dass er noch nicht verblutet ist. Jedenfalls ist er bestimmt nicht in der Verfassung, um uns zu überfallen«, sagt Cato.
Peeta liegt also schwer verletzt irgendwo draußen im Wald. Aber weshalb er die Karrieros verraten hat, weiß ich immer noch nicht.
»Vorwärts«, sagt Cato. Er drückt dem Jungen aus Distrikt 3 einen Speer in die Hand und sie machen sich auf den Weg zum Feuer. Das Letzte, was ich höre, als sie im Wald verschwinden, ist Catos Stimme: »Wenn wir sie finden, mache ich sie auf meine Weise kalt. Dass mir da keiner in die Quere kommt.«
Ich bin mir ziemlich sicher, dass er nicht Rue meint. Schließlich hat sie kein Jägerwespennest auf ihn herunterfallen lassen.
Eine halbe Stunde bleibe ich, wo ich bin, und überlege, wie ich mit den Vorräten verfahren soll. Mit Pfeil und Bogen habe ich den Vorteil, Entfernungen überwinden zu können. Ich könnte mühelos einen brennenden Pfeil in die Pyramide schießen - ich bin zielsicher genug, um durch eine der Öffnungen im Netz zu treffen -, aber es ist nicht gesagt, dass sie Feuer fangen würde. Wahrscheinlich würde nur der Pfeil selbst verbrennen, und was dann? Ich hätte nichts erreicht und zugleich zu viel über mich preisgegeben: dass ich hier war, dass ich eine Komplizin habe, dass ich gut mit Pfeil und Bogen umgehen kann.
Mir bleibt keine Wahl. Ich muss näher heran und herausfinden, wie die Vorräte genau geschützt sind. Ich will gerade meine Deckung verlassen, als ich eine Bewegung bemerke. Ein paar Hundert Meter rechts von mir sehe ich jemanden aus dem Wald kommen. Einen Augenblick lang denke ich, es ist Rue, aber dann erkenne ich Fuchsgesicht, die sich da auf die Ebene schleicht - sie ist es, die uns heute Morgen nicht mehr einfiel. Als sie beschließt, dass die Luft rein ist, rennt sie mit kleinen schnellen Schritten zu der Pyramide. Kurz bevor sie die Vorräte erreicht, die rings um die Pyramide verstreut liegen, bleibt sie stehen, untersucht den Boden und setzt den Fuß vorsichtig auf. Dann nähert sie sich der Pyramide mit einem merkwürdigen Tanz aus kleinen Hüpfern. Mal bleibt sie leicht schwankend auf einem Fuß stehen, mal riskiert sie ein paar Schritte hintereinander. Einmal springt sie hoch über ein kleines Fass und landet auf den Zehenspitzen. Aber sie hat sich ein bisschen verrechnet und der Schwung reißt sie nach vorn. Als ihre Hände den Boden berühren, stößt sie einen schrillen Schrei aus, doch nichts geschieht. Im Nu ist sie wieder auf den Beinen und macht weiter, bis sie den Haufen mit den Vorräten erreicht hat.
Ich hatte also recht mit der Sprengfalle, aber ganz offensichtlich ist die Sache komplexer, als ich dachte. Auch was das Mädchen betrifft, lag ich richtig. Wie
Weitere Kostenlose Bücher