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Toedliche Spiele

Toedliche Spiele

Titel: Toedliche Spiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Collins
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ausspioniert, aber sie ist eine gute Beobachterin. Sie haben ihr Lager am See aufgeschlagen. Das Versteck mit den Vorräten ist rund dreißig Meter vom Lager entfernt. Tagsüber lassen sie einen Tribut, den Jungen aus Distrikt 3, als Wache zurück.
    »Den Jungen aus Distrikt 3?«, frage ich. »Der macht bei denen mit?«
    »Ja, er bleibt die ganze Zeit im Lager. Er ist auch gestochen worden, als die Jägerwespen sie bis zum See verfolgt haben«, sagt Rue. »Wahrscheinlich lassen sie ihn unter der Bedingung am Leben, dass er ihnen als Wache dient. Aber er ist nicht besonders kräftig.«
    »Was hat er für Waffen?«, frage ich.
    »Ich hab nicht viele gesehen. Einen Speer. Damit mag er vielleicht ein paar von uns anderen fernhalten, aber Thresh könnte ihn leicht töten«, sagt Rue.
    »Und das Essen liegt einfach so da, unter freiem Himmel?«, frage ich. Sie nickt. »Irgendetwas ist da faul.«
    »Ich weiß. Nur kann ich dir nicht genau sagen, was«, sagt Rue. »Aber angenommen, du schaffst es zu den Lebensmitteln, Katniss, wie willst du sie vernichten?«
    »Verbrennen. Im See versenken. Benzin drübergießen.« Ich knuffe Rue in den Bauch, wie ich es mit Prim machen würde. »Aufessen!« Sie kichert. »Keine Sorge. Ich lass mir schon was einfallen. Dinge zu zerstören ist viel leichter, als sie zu erschaffen.«
    Eine Weile graben wir Wurzeln aus, sammeln Beeren und Gemüse, ersinnen mit gedämpften Stimmen Strategien. Und ich lerne Rue kennen, das älteste von sechs Kindern, das sich schützend vor seine Geschwister stellt, das den Jüngeren die eigene Ration gibt und auf den Wiesen nach Essen sucht, in einem Distrikt, in dem die Friedenswächter weit weniger nachsichtig sind als bei uns. Rue, die auf die Frage, was sie am meisten auf der Welt liebt, antwortet: »Musik.«
    »Musik?«, frage ich. Musik steht in unserer Welt, was den praktischen Nutzen angeht, für mich irgendwo zwischen Haarbändern und Regenbogen. Ein Regenbogen sagt wenigstens noch etwas über das Wetter aus. »Hast du viel Zeit dafür?«
    »Zu Hause singen wir. Und bei der Arbeit auch. Deshalb gefällt mir deine Brosche«, sagt sie und deutet auf den Spotttölpel, den ich schon wieder ganz vergessen hatte.
    »Habt ihr Spotttölpel?«, frage ich.
    »Oh ja. Sie sind meine besten Freunde. Wir können stundenlang singen. Sie überbringen Botschaften für mich«, sagt sie. »Was soll das heißen?«, frage ich.
    »Ich klettere meist am höchsten in die Bäume, deshalb sehe ich als Erste die Fahne, die den Feierabend anzeigt. Dann singe ich eine bestimmte Melodie«, sagt Rue. Sie öffnet den Mund und singt mit zarter, klarer Stimme eine Folge von vier Tönen. »Und die Spotttölpel tragen sie durch den Obstgarten. So weiß jeder, dass es Zeit ist, aufzuhören«, fährt sie fort. »Wenn man ihren Nestern zu nahe kommt, können sie allerdings auch ganz schön gefährlich werden. Aber das kann man ihnen nicht vorwerfen.«
    Ich löse die Brosche und halte sie ihr hin. »Hier, nimm. Für dich hat sie mehr Bedeutung als für mich.«
    »Oh nein«, sagt Rue und schließt meine Finger wieder über der Brosche. »Ich sehe sie gern an dir. Ihretwegen habe ich beschlossen, dass ich dir vertrauen kann. Und außerdem habe ich das hier.« Sie kramt ein aus Grasfasern geflochtenes Halsband unter dem Hemd hervor. Daran hängt ein grob geschnitzter Holzstern. Vielleicht ist es auch eine Blume. »Ein Talisman.«
    »Na, bisher hat er ja geholfen«, sage ich und stecke mir die Brosche wieder ans Hemd. »Dann bleib am besten dabei.«
    Gegen Mittag haben wir einen Plan ausgearbeitet. Am frühen Nachmittag sind wir bereit, ihn in die Tat umzusetzen. Ich helfe Rue dabei, das Holz für die ersten beiden Lagerfeuer zu sammeln und aufzuschichten, das dritte kann sie allein schaffen. Wir beschließen, uns hinterher dort zu treffen, wo wir zum ersten Mal zusammen gegessen haben. Der Bach dürfte mir helfen, die Stelle wiederzufinden. Bevor ich aufbreche, stelle ich sicher, dass Rue ausreichend mit Essen und Streichhölzern versorgt ist. Ich bestehe sogar darauf, dass sie meinen Schlafsack nimmt, falls wir uns nicht vor Einbruch der Nacht wiedertreffen.
    »Und was ist mit dir? Wirst du nicht frieren?«, fragt sie.
    »Ich kann ja einen Schlafsack von den Karrieros mitgehen lassen. Stehlen ist hier nicht verboten«, sage ich grinsend.
    In letzter Minute möchte Rue mir noch das Spotttölpelsignal beibringen, mit dem sie zu Hause den Feierabend einläutet. »Vielleicht funktioniert es nicht.

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