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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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anderen Menschen wehzutun, ohne es auch nur im Mindesten zu beabsichtigen, einfach weil man etwas anderes dachte, ein anderes Ziel vor Augen hatte.
    »Nun, vielleicht ist es mehr die Sicherheit, die man aus beruflichen Erfolgen gewinnt«, räumte er ein und wünschte im selben Augenblick, er hätte es nicht getan. Er machte die Sache nur noch schlimmer. »Erzählen Sie mir mehr über Mr. Melvilles architektonische Leistung. Ist er wirklich so ein Neuerer?«
    »Ja, unbedingt«, antwortete sie, ohne zu zögern. »Seine Entwürfe scheinen viel mehr Licht zuzulassen als die der meisten anderen. Sie sind voller Fenster und Wölbungen, an Stellen, wo ich noch nie zuvor welc he gesehen habe. In Hampshire steht ein Haus, das er gebaut hat, oder das Mr. Lambert hat bauen lassen, wie ich vielleicht sagen sollte. Jedenfalls ist es von innen ganz wunderbar. Jeder Raum scheint durchflutet von Sonnenlicht zu sein, und die Fenster sind ganz unregelmäßig verteilt. Es ist außerordentlich behaglich. Man scheint ständig hinauszusehen, entweder auf Bäume oder in den Himmel. Es strahlt einen seltsamen Frieden aus. Und doch - als ich die Haushälterin fragte, ob es nicht schwierig sei, das Haus sauber zu halten, versicherte sie mir, es sei im Gegenteil höchst praktisch angelegt. Ich war sehr überrascht.«
    Dasselbe galt für Rathbone. Er hätte Melville so viel Mut gar nicht zugetraut.
    »Ich glaube, dass er ein Genie ist«, sagte Margaret sehr leise.
    Er hörte sie nur, weil die Musik verstummt war. Mit einer letzten Drehung kamen sie zum Stehen. Er bot ihr abermals seinen Arm, und sie ergriff ihn.
    »Möchten Sie vielleicht ein Glas Champagner trinken?« , fragte er. »Oder lieber Limonade?«
    »Limonade, wenn Sie so freundlich sein wollen«, antwortete sie.
    Er holte ihr das Gewünschte, und sie setzten ihre Unterhaltung noch ein Weilchen fort; mittlerweile fiel ihnen das Reden überhaupt nicht mehr schwer. Schließlich führte er sie zu Mrs. Ballinger zurück, die allein war und eine außerordentlich selbstzufriedene Miene aufgesetzt hatte.
    »Ich sehe, wie sehr ihr den Tanz genossen habt«, sagte sie mit einem Lächeln. »Ihr passt ganz wunderbar zusammen.« Sie drehte sich zu ihrer Tochter um. »Mr. Edwin Trelaowny hat nach dir gefragt, Margret. Er entsinnt sich noch eurer Begegnung in Bath. Ich denke, wir sollten Lady Trelaownys Besuch erwidern… Vielleicht nächste Woche.«
    Es war ein Manöver, um sicherzustellen, dass Rathbone nicht auf den Gedanken käme, Margaret sei nicht auch anderweitig begehrt. Niemand wünschte eine junge Dame zu umwerben, wenn er der Einzige auf weiter Flur war. In diesem Fall konnte sie nicht viel wert sein.
    »Ja, Mama«, erwiderte Margaret pflichtschuldigst, obwohl sie sich innerlich krümmte, so durchsichtig war die List ihrer Mutter.
    Mrs. Ballinger ließ sich nicht beirren. Um Töchter zu verheiraten, musste man sich einen dicken Panzer gegen Missbilligung oder anderer Leute Verlegenheit zulegen. Sie ignorierte Margarets flehenden Blick vollkommen.
    »Haben Sie Familie in London, Sir Oliver? Ich glaube nicht, dass ich mit Ihrer Mutter bekannt bin.«
    Margaret schloss die Augen und wich Rathbones Blick konsequent aus.
    In Rathbones Lächeln lag nun echte Erheiterung. Jetzt wurde er also auf Herz und Nieren geprüft - und zwar im Hinblick auf die Frage, ob er gesellschaftlich akzeptabel sei.
    »Meine Mutter ist vor einigen Jahren gestorben, Mrs.
    Ballinger«, antwortete er. »Mein Vater lebt in Primrose Hill, aber er geht nur noch sehr wenig aus. Tatsächlich wäre es wohl aufrichtiger zu sagen, dass er überhaupt nicht mehr zu Gesellschaften geht. Er betrachtet Lord Cochrane als einen engen Freund, aber ich glaube, sie treffen einander in ihren jeweiligen Häusern, nicht bei gesellschaftlichen Anlässen.« Er sah ihr direkt in die Augen. »Natürlich ist er durch seine Arbeit mit einem Großteil der wissenschaftlichen und mathematischen Welt recht gut bekannt… Aber das war, bevor er sich aus dem Berufsleben zurückgezogen hat. Und er hatte immer eine hohe Wertschätzung für Lord Palmerston.«
    Er wusste sofort, dass er den Premierminister besser unerwähnt gelassen hätte. Sie war zutiefst beeindruckt.
    »Wie überaus freundlich«, erwiderte sie, einen Augenblick lang sprachlos. Sie erholte sich jedoch schnell. »Ich hoffe, ich werde eines Tages das Glück haben, ihm zu begegnen. Ihre Schilderung klingt so viel versprechend.«
    Margaret machte ein niedergeschlagenes Gesicht.
    »Ich

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