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Tödliche Therapie

Tödliche Therapie

Titel: Tödliche Therapie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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für eine Meute! Zwei- oder dreimal haben Leute vor der Praxis
Flugblätter verteilt, aber so was hab ich noch nie erlebt. Woher wußtest du
Bescheid?“
    Ich schüttelte den Kopf. „Ich kam zufällig hierher,
wollte mir die Schlüssel zu Malcolms Wohnung von dir holen. Warum sind die
hier? Sollte heute irgendwas Besonderes über die Bühne gehen?“
    Ihre dicken Augenbrauen stießen über ihrer
markanten Nase zusammen. „Ich habe heute früh einen Schwangerschaftsabbruch
aufgrund einer sozialen Indikation vorgenommen - aber das mache ich drei- bis
viermal im Monat. Es war ein achtzehnjähriges Mädchen mit bereits einem Kind,
das versucht, sein Leben in den Griff zu kriegen. Im dritten Monat. In einem
fortgeschrittenerem Stadium kann ich hier in der Praxis nichts unternehmen. Ich
sage dir, Vic, diese Leute jagen mir Angst ein. Es erinnert mich an eine Nacht
in Wien, als sich der Nazi-Mob vor unserem Haus versammelte. Sie sahen genauso
aus - wie Tiere, dieser lodernde Haß. Sie schlugen alle Fenster ein. Meine
Eltern, mein Bruder und ich konnten fliehen. Wir versteckten uns bei den
Nachbarn und sahen zu, wie sie unser Haus niederbrannten. Ich hätte nie
gedacht, daß ich dieselbe Angst auch in Amerika verspüren würde.“
    Ich faßte sie bei den Schultern. „Ich rufe
Lieutenant Mallory an. Vielleicht kann er einsatzfreudigere Polizisten
herschicken. Was ist mit deinen Patienten?“
    „Mrs. Coltrain hat alle Termine auf morgen verlegt.
Vermutlich werden diese Gangster dann nicht mehr hier sein. Notfälle schicken
wir ins Beth Israel. Zwei Frauen haben sich mit ihren Kindern durch die Meute
gekämpft. Ich glaube nicht, daß ich einfach zumachen kann - ich kann meine
Patienten nicht draußen Spießruten laufen lassen und dann nicht hier sein, um
ihnen zu helfen. Außerdem ist die junge Frau noch da, die der Auslöser für
dieses Theater ist. Es geht ihr gut, aber sie fühlt sich nicht in der Lage, an
diesen Tieren vorbei nach Hause zu gehen. Und die Polizisten sitzen nur rum.
Sie sagen, es liegt nichts vor, wogegen sie einschreiten könnten, keine Ruhestörung.
Und für die Nachbarn ist das Ganze natürlich besser als jedes Theater.“
    Carol kam herein. Sie hatte abgenommen; ihr Kittel
hing lose an ihr herunter. „Hallo, Vic. Gottgesandte Demonstranten, die uns
von unseren eigentlichen Problemen ablenken. Was meinst du dazu?“
    „Im Augenblick posieren sie nur für die
Fernsehkameras. Gab es irgendwelche Vorwarnungen? Drohbriefe? Anrufe?“
    Lotty schüttelte den Kopf. „Dieter Monkfish hat
hier ein paarmal Flugblätter verteilt. Aber nachdem die Mehrheit der Leute, die
die Praxis aufsuchen, kinderreiche Mütter sind, kam es ihm ziemlich schnell
albern vor, ihnen die Unantastbarkeit des ungeborenen Lebens zu predigen. Jeden
Monat bekommen wir ein paar anonyme Drohbriefe, aber keine Bombendrohungen
oder dergleichen. Das hier ist keine richtige Abtreibungsklinik, deshalb
stehen wir nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.“
    Ich ging hinüber zum Empfang, um zu telefonieren. Mrs.
Coltrain kam mir nach, um mir eine freie Leitung zu verschaffen. Ich rief im
Revier in der Elften Straße an und verlangte Lieutenant Mallory. Es dauerte
eine Weile, bis sie mich durchgestellt hatten. Pflichtbewußt erkundigte ich
mich nach Eileen, den sechs Kindern und fünf Enkelkindern und schilderte dann
die Lage.
    „Sie hindern Patienten daran, die Praxis zu
betreten, und das zuständige Revier hat lediglich zwei Wagen geschickt, die die
Straße beobachten sollen. Kannst du nicht dafür sorgen, daß die Leute hier die
Tür frei machen?“
    „Unmöglich, Vic. Das ist nicht mein Bezirk. Das
entscheidet das zuständige Revier. Du müßtest mittlerweile eigentlich wissen,
daß du nicht einfach die Polizei rufen kannst, damit sie deine Aufträge
erledigt.“
    „Lieber Bobby. Lieutenant Mallory. Ich bitte dich
nicht darum, einen Auftrag zu erledigen. Ich bitte um Schutz für eine
steuerzahlende Bürgerin, deren Patienten unter Androhung körperlicher Gewalt
daran gehindert werden, ihre Praxis zu betreten.“
    „Hast du gesehen, wie jemand bedroht wurde?“
    „Im Augenblick haben die Demonstranten die Straße
so unter Kontrolle, daß niemand überhaupt in die Nähe des Praxiseingangs
gelangt.“
    „Tut mir leid, Vic, aber das reicht nicht aus. Und
wenn, dann müßtest du sowieso das zuständige Revier um Hilfe bitten. Sollten
sie versuchen, jemand umzubringen, komme ich.“
    Ich vermutete, daß das seine Art war, Witze zu
machen.

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