Tödliche Therapie
einem
Strandspaziergang im Mondschein?“
Auf der Fahrt zum See fragte mich Burgoyne, ob die
Polizei im Fall Tregiere Fortschritte machte. Ich antwortete, falls er die
Täter nicht kenne, würde die Aufklärung des Falls sehr lange dauern. Diese Art
von Gewaltverbrechen gehört zu den schwierigsten Fällen.
„Aber glauben Sie nicht, die Polizei hielte eine
Lösung für aussichtslos. Rawlings, der den Fall übernommen hat, scheint einiges
auf dem Kasten zu haben. Und ein Mord gilt nie als aufgeklärt. Eines Tages
taucht ein Informant auf, oder ein anderes Verbrechen fördert eine neue Spur
zutage. Oder vielleicht hab ich Glück.“
In Montrose bog er auf den Parkplatz ein, fuhr
langsam die Reihen auf und ab auf der Suche nach einer Lücke. Die halbe Stadt
versammelt sich in warmen Sommernächten am See. Radios schallten durch die
Nacht, Kinder quietschten, Verliebte schmusten. Jugendliche, mit Bier,
Marihuana und Angeln ausgestattet, belagerten die Felsen und belästigten jede
junge Frau, die vorbei wollte.
Burgoyne parkte neben einem riesigen, rostigen
Wohnwagen und schaltete den Motor ab. „Sie stellen im Fall Tregiere
Nachforschungen an?“
„So könnte man's nennen. Wenn es ein
Gewaltverbrechen war, wird die Polizei es aufklären. Wenn der Täter jemand war,
den Tregiere kannte, hab ich vielleicht Glück. Vermutlich hat er nichts von
Bedeutung gesagt, als Sie gemeinsam Consuelo behandelten, oder?“
Ich spürte, wie er mich im Dunkeln ansah. „Soll das
ein Witz sein?“ fragte er schließlich. „Ich kenn Sie nicht gut genug, um zu
wissen, wann Sie es ernst meinen und wann nicht. Alles, worüber wir geredet
haben, war der unregelmäßige Herzschlag des Mädchens.“
Wir stürzten uns ins Gedränge und kletterten die
Felsen hinunter zum See. Dort war es weniger voll, und wir fanden einen Platz
für uns allein. Ich zog meine Sandalen aus und ließ die Füße im Wasser baumeln.
Burgoyne wollte wissen, wie ich bei den Nachforschungen vorging.
„Oh, ich rede mit den Leuten. Wenn sie wütend
werden, schließ ich draus, daß sie etwas wissen. Ich stochere weiter rum und sprech
mit mehr Leuten. Und nach einer Weile hab ich 'ne ganze Menge erfahren, und die
einzelnen Teile beginnen zusammenzupassen. Ich fürchte, ich geh nicht sehr
systematisch vor.“
„Ähnlich wie ein Arzt.“ Im Mondlicht konnte ich
sehen, daß er die Knie angezogen und die Arme darum geschlungen hatte. „Obwohl
wir über diesen unglaublichen technischen Apparat verfügen, diagnostizieren wir
meistens, indem wir Fragen stellen und Möglichkeiten ausscheiden... Mit wem
sprechen Sie über Tregiere?“
„Mit Leuten, die ihn kannten. Mit Leuten, die ihn
in einem ungewöhnlichen Zusammenhang gekannt haben könnten.“
„Und dabei haben Sie diesen Schnitt im Gesicht
abgekriegt, nicht wahr?“
„Ja, so war es. Aber mir ist schon Schlimmeres
passiert - das hier ist nur unangenehm, weil niemand verunstaltet werden
möchte.“
„In welchem Verhältnis stand Tregiere zu Dr.
Herschel? War er ihr Partner?“
„So was ähnliches. Drei Vormittage in der Woche war
er für die Praxis verantwortlich, so daß sie Besuche machen konnte. Und er
hatte dort ein Sprechzimmer für seine eigenen Patientinnen. Er war Facharzt
für Geburtshilfe und hatte sich zudem auf perinatale Medizin spezialisiert.“
„Also bringt sein Tod ziemlich viel durcheinander?“
„So könnte man sagen. Es wird eine ungeheure
Arbeitsbelastung auf Dr. Herschel zukommen.“ Ich schlug nach ein paar Mücken,
die mein Gesicht umschwirrten.
Er schwieg eine Weile und starrte hinaus auf den
See. Dann sagte er abrupt: „Ich hoffe, sie gibt uns nicht die Schuld an
Consuelos Tod.“
Im Dunkeln konnte ich sein Gesicht nicht erkennen.
„Sie machen sich zuviele Sorgen. Schicken Sie ihr den Bericht und versuchen
Sie, die Sache zu vergessen.“
Die Moskitos ließen nicht locker. Mein Gesicht, das
leicht nach Blut roch, zog sie magisch an. Ich wollte gehen. Burgoyne half mir
beim Aufstehen, umarmte und küßte mich. Es war der Situation angemessen. Ich
verscheuchte ein paar weitere Mücken und küßte ihn zurück.
Als wir Arm in Arm die Felsen hinaufstiegen, wollte
er wissen, was nötig sei, damit ich einen Fall aufgab.
„Weiß ich nicht“, sagte ich. „Ein paarmal wollte
man mich umbringen, auf nicht gerade angenehme Weise. Also muß ich schneller
denken als die anderen. Wenn ich dazu nicht mehr in der Lage bin oder nicht
mehr schnell genug laufen kann, dann werde ich aufs
Weitere Kostenlose Bücher