Tödliche Therapie
Patienten sicher die Straße entlang bis zur Hintertür
bringt. Carol wird mitkommen, um euch die Patienten zu zeigen.“
Unser Plan sah vor, daß Carol am Ende der Straße
auf Lottys Patienten warten würde. Sie sollte ihnen die Lage schildern, und
wenn sie dann immer noch in die Praxis wollten, sollten die Schlosser sie bis
zur Hintertür begleiten. Carol nahm die tatendurstigen Männer mit hinaus auf
die Straße, und ich schob Wache an der Hintertür. Sollte irgend etwas
schiefgehen, würde ich versuchen zu helfen. Eine Zeitlang kam es zu keinen
Zwischenfällen. Es gelang uns, die Abtreibungspatientin unbemerkt
hinauszuschaffen; Carol winkte einem Taxi, das sie nach Hause brachte. Aber die
Meute vor dem Haus wurde größer, und die wenigen Patienten, die durchkamen,
wurden zunehmend nervöser. Um halb zwei dämmerte den Demonstranten, daß wir
den Hintereingang benutzten, und sie stürmten mit Spruchbändern und Megaphonen
nach hinten.
Widerwillig entschloß sich Lotty, die Praxis zu
schließen, nachdem eine Frau, im sechsten Monat schwanger und an einer
Blutvergiftung leidend, mit Gewalt daran gehindert wurde, die Praxis zu
betreten. Lotty ging selbst hinaus, um mit den Leuten zu reden, ein Schritt,
der sich, wie ich fürchtete, als verhängnisvoll erweisen könnte.
Lotty richtete sich zu ihrer vollen Größe von einem
Meter achtzig auf und wandte sich an die Menge, die sich anfänglich beruhigte.
„Diese Frau versucht, ihr Leben und das ihres Kindes zu retten. Wenn Sie sie
daran hindern, sich in ärztliche Behandlung zu begeben, könnten Sie sehr wohl
ihr Leben aufs Spiel setzen. Mit Ihren Ansichten über das Leben, sollten Sie
ihr Vorhaben unterstützen, anstatt ihr den Weg zu versperren.“
Ihr schallten Schreie und „Mörder“-Rufe entgegen.
Ein tapferer junger Mann ging auf sie zu und spuckte sie an.
In Lottys Büro fand ich eine Polaroidkamera, mit
der sie stolze Mütter fotografierte, die in die Praxis kamen, um ihre Babys
bewundern zu lassen. Ich ging hinaus auf die Straße und begann, Fotos von
einzelnen Leuten in der Meute zu machen. Sie waren nicht organisiert genug, um
mir die Kamera zu entreißen. Statt dessen wichen sie ein paar Meter zurück. Anonyme
Geiferer haben es nicht gern, daß ihre Identität publik gemacht wird.
Carol nutzte die momentane Verunsicherung, um die
Frau mit der Blutvergiftung in ein Taxi zu bugsieren und sie ins Beth Israel zu
schicken.
„Wir machen jetzt besser zu und verschwinden. Sonst
kriegen wir noch Schwierigkeiten, mit denen wir nicht mehr fertigwerden“,
meinte ich.
Lotty war einverstanden, und Mrs. Coltrain atmete
erleichtert auf. Obwohl sie sich darauf eingestellt hatte, bis zum bitteren
Ende auszuharren, war sie seit der Ankunft der Schlosser sichtlich nervöser
geworden. Mr. Contreras und seine Freunde waren nicht sehr glücklich über
unsere Entscheidung.
„Aber, Mädchen“, drängte er, „so schnell gibt man
nicht auf. Sie sind in der Überzahl, zugegeben, aber wir können ihnen immer
noch zeigen, wie der Hase läuft.“
„Das Verhältnis ist fünfzig zu eins“, erwiderte ich
müde. „Ich weiß, daß ihr früher eine ganze Hundertschaft in die Knie gezwungen
habt, aber wir sind hier nicht auf gebrochene Knochen, eingeschlagene Zähne
und Köpfe eingerichtet. Wir brauchen richtige Hilfe, Hilfe, die nicht zu
kommen scheint.“
Lotty war wieder hineingegangen, um Medikamente und
Instrumente einzuschließen. Zusammen mit Mrs. Coltrain und Carol kam sie zurück
und blieb in der Hintertür stehen, um die elektronische Alarmanlage
einzuschalten. Als der Menge klar wurde, daß wir gehen wollten, drängte sie auf
uns zu, schrie und grölte. Wir sieben hakten uns unter, formten einen Keil und
bahnten uns einen Weg durch die Menge.
„Geht nach Hause, Kindermörder, und kommt ja nicht
zurück!“ schrie einer von ihnen, und die anderen nahmen den Schrei auf.
Die Leute umzingelten uns, schwangen drohend
Bretter und Flaschen, die sie auf der Straße gefunden hatten. Bevor wir ihn
aufhalten konnten, zückte Mr. Contreras seine Zange und ging damit auf den
nächsten Schreihals los. Sokolowski und Kruger folgten begeistert seinem
Beispiel. Es sah nahezu komisch aus, wie die drei alten Männer sich schnaufend
in die Schlacht warfen, glücklich wie Kinder. Es hätte wirklich komisch
ausgesehen, wäre da nicht die bestialische Wut des Mobs gewesen. Die
Demonstranten schlossen die alten Männer ein, Bretter und Steine in den Händen.
Die Schlägerei griff
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